Mit einer gehörigen Portion
Ungewissheit betrat ich meinen Lieblingsveloladen „Backyard“ in Zürich. Im
Eingangsbereich wartete ein knallgelbes „Price Dirt Jump“ schon ganz ungeduldig
darauf von mir auf dem Pumptrack misshandelt zu werden. Roger vom Backyard, der
mich am Telefon schon mit Häme überschüttete, übergab mir das gelbe Geschoss
mit einem breiten Grinsen. Ich war mir sehr wohl bewusst, dass ich für den
Pumptrack rund 30 Jahre zu alt war aber das muss ja nicht heissen, dass ich mich
gleich in Lebensgefahr begeben würde. Oder doch?
Eingeschüchtert und angstgeschwängert
tuckerte ich auf meinem gäggeligälen Velo, wie die Christel von der Post, durch
Zürichs Kreis Cheib. Vergeblich suchte ich nach einer Gangschaltung. Aber hey, zumindest
haben sie die Bremsen nicht vergessen. Die nach Hinten hängende Geometrie des
Dirt-Bikes und der tief gelegte Sattel gaben mir das gewisse Easy-rider-Feeling.
Allmählich beruhigte ich mich und eine unerklärliche Zuversicht machte sich
breit. Das Gitarrenriff von „Born To Be Wild“ summend erreichte ich den
Limmatplatz und kämpfte mich eingängig den Berg hoch, zur Kronenwiese. Und da war
er also, der Pumptrack, den ich mir heute noch zum Freund machen sollte.
Der 14-jährige Josiha (Tschoseia ausgesprochen)
trat schnurstracks auf mich zu und streckte mir die Hand hin. Er war kleiner
als ich ihn mir am Telefon vorgestellt hatte aber wo steht geschrieben, dass
ein Pumptrack-Fahrer gross gewachsen sein muss, ist ja kein Basketball hier - aber
ich schweife ab. Josiha hatte sich im Vorfeld dieser Kolumne grosszügigerweise bereiterklärt, mir
einen Crash-Kurs im pumpen zu verpassen. Vielleicht hat er ja auch nur was
ausgeheckt und als Strafe musste er einen älteren Herren für eine Stunde
babysitten. Aber Josiha machte nicht den Eindruck eines schwierigen Teenagers. Im
Gegenteil. Seine aufgeschlossene und freundliche Art liess darauf schliessen,
dass er das hier aus Liebe zu seinem Sport macht, den er mir auch gleich
näherbringen wollte. Das Ganze erinnerte mich etwas an „Karate Kid“. Nur war
ich das Kid und er war Mr. Miyagi.
Ohne Schnörkel und langweilige
Erklärungen, nahm er mich gleich mit auf eine kleine Holzrampe im inneren Teil
des Tracks. Damit ich in dem Wirrwarr aus Hügeln und Steilwandkurven überhaupt
weiss wo ich durchfahren sollte, drehte Josiha mal kurz eine Runde auf dem
Anfängerloop, den Roger vom Backyard später abschätzig als Chicken-Run
bezeichnen sollte. Danach zeigte mir Josiha, welche Position man auf dem
Dirt-Bike vorzugsweise einnimmt um so stabil wie möglich zu sein. Jetzt war ich
an der Reihe. Als ich auf der Startrampe langsam auf den fast senkrechten „Drop
in“ zufuhr, ging mir der Hintern kurz auf Grundeis. Doch eine Sekunde später
war ich schon unten und damit beschäftigt die Lenkstange nicht zu küssen und in
den Steilwandkurven nicht die Kurve zu kratzen. Reflexmässig setzte ich mich
zwischen den Kurven auf den Sattel. Schlechte Idee. „So geht gleich die ganze
Dynamik verloren“, korrigierte mich Josiah. Ansonsten meisterte ich meine erste
Runde ganz passabel und vor allem, ohne Sturz. Nein, man will auf einem
Pumptrack nicht stürzen, denn das Terrain ist pickelhart und überall warten
kleine Hügel und Kanten, die einen möglichen Aufprall ziemlich unbequem bis
schmerzhaft gestalten könnten. Um so mehr Respekt zollte ich deshalb Josiah und
seinen Pumptrack-Pals Fabian, Lukas, Dani und dem 8-jährige Camillo, die um
mich herum wie Sandflöhe durch die Hügellandschaft flogen.
Josiha wollte jetzt an meiner
mangelnden Kurventechnik feilen. Mein Fehler war, dass ich die Kurve zu spät
ansetzte und so natürlich rausgetragen wurde. Um die richtige „Linie“ zu
erwischen fuhr ich eine Runde direkt hinter meinem jungen Lehrer und hatte auf
diese Weise bald den Dreh raus. Ich profitierte von meinen alten
Cross-Country-Qualitäten als Mountainbiker. Das Langzeitgedächtnis ist doch
eine schöne Sache. Doch das pumpen ging mächtig auf die Pumpe. Nach drei Runden
Nonstop kämpfte ich gegen einen drohenden Infarkt während Josiah nobel in die
Ferne schaute um mich meine Lungenschmerzen ungestört aussitzen zu lassen. Nie
hätte ich gedacht, dass man hier so ausser Puste geraten könnte. Bei den Kids
sieht das alles so easy aus. Die fahren locker 15 Runden am Stück. Vom
Bewegungsablauf her macht man hier eigentlich fahrende Dauerliegestützen.
Später meisterte ich sogar noch den
Einstieg von der grossen Startrampe und pumpte motiviert unzählige Runden.
Keiner der Jungs gab mir als „Opa“ auch nur einmal das Gefühl, hier falsch zu
sein. Wenn diese Jugend unsere Zukunft ist, bleib ich gerne noch etwas auf
diesem Planeten.
Josiah meinte, dass ich auf dem
ersten Level alles draufhätte. Beim zweiten Level müsste man schon fliegen lernen.
Und obwohl am Himmel gerade der Supermond stand und ich nur zu gerne wie E.T.
durch die Lüfte geflogen wäre, verschiebe ich das zweite Level doch lieber auf
mein nächstes Leben, wenn ich wieder 14 bin.
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