Freitag, 24. Januar 2014

Midi bei der Ernährungsberaterin


Während ich in Bern auf das 9er Tram wartete, hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Man könnte auch von einem Völlegefühl im Bauch sprechen. Oder Übervöllegefühl. Treffender wäre wohl der Ausdruck „Platzangst“. Denn seit ich weiss, dass ich bei der Ernährungsberatung antanzen soll, betreibe ich sündhafte Völlerei und zwar aus Angst nach diesem Termin wohl nie mehr ohne schlechtes Gewissen „feine“ Sachen essen zu dürfen. Endzeitstimmung bestimmte meinen Menueplan.

Meine Hausaufgabe für das Treffen mit Corinne Spahr bestand darin, aufzuschreiben was ich während drei Tagen alles so esse. Die FfL-Redaktion meinte, so würde ein Ernährungsprofil über meine Essgewohnheiten entstehen und Frau Spahr könne sich so ein besseres Bild von meinem mutmasslich übermässigen Kalorienkonsum machen. Hab ich heute schon erwähnt, dass ich meine Redaktion liebe? Nein? Gut so.

Natürlich war mein Kalorienkonsum übermässig - aber nur, weil ich noch alles in mich hineinstopfte was da bei mir zu Hause, im Coop oder bei McDonalds so rumlag. Die Liste, die aufzeigen sollte, was ich in den letzten drei Tagen alles gegessen und vor allem getrunken hatte, war lang. Diese Liste könnte man gegebenen Falls in meiner Todesanzeige als wahrscheinliche Todesursache aufführen. Und diese Liste würde wohl in Kürze eine liebenswürdige Ernährungsberaterin, (Frau Spahr wirkte am Telefon sehr nett) in einen feuerspeienden Drachen verwandeln.

Damit sie sich zu Hause ein Bild von meinem Speiseplan machen können, drucke ich hier, eins zu eins, die Auflistung meiner Mahlzeiten ab:

ESSEN:

Montag:
2 Teller Spätzli mit Ei
2 Mokka-Joghurt
2 Teller Spaghetti / 4 Hacktätschli mit Baguette
4 Toast mit Lachs
2 Toast mit Nutella

Dienstag:
4 Toast mit Nutella und ein Mokka-Joghurt
1 McChicken mit Pommes plus Sundea mit Schokososse
1 Teller Spätzli mit Salat
2 Toast mit Nutella
1 Ahorn-Joghurt

Mittwoch:
4 Toast mit Nutella
9 Chicken Wings mit Pommes
2 Milchbrötli mit Mortadella
Weissbrott mit Nutella
Ein halber Sack Erdnüsse
2 Teller Spätzli mit Currysosse
1 Ahorn-Joghurt

TRINKEN in dieser Zeit:

3 Liter Shorley (Apfelschorle)
1,5 Liter Coke Zero
1,5 Liter Milch mit Crunchie-Ovo
5 Vodka Red-Bull
1 Sambucca
1 Cüppli
1 Shot Wicks Medinait

SPORTLICHE BETÄTIGUNGEN in dieser Zeit:

- 2 mal 10 Liegestützen
- 3 mal 7 Klimmzüge
- 1 mal Fangis spielen mit den Kids auf dem Spielplatz
- Geschlechtliche Aktivitäten möchte ich hier lieber nicht aufführen, da ich aus Erfahrung masslos übertreiben, was zu einer erheblichen Verfälschung des Resultats führen könnte.

Sie werden verstehen, dass ich mit dieser Liste in der Tasche zunehmends nervöser wurde. Als ich an der Schwarztorstrasse 11 ankam, war ich ganze 25 Minuten zu früh. Genug Zeit um noch zwei Schinkengipfeli aus meiner Nasch-Tasche als Henkersmalzeit in meinen sündigen Körper zu stopfen. Während ich mir das Zeug reumütig einverleibte, bemerkte ich einen Velofahrer und einen Fussgänger. Beide blickten mit finsterer Miene auf ein Velo mit einem „Achti“ im Vorderrad. Offensichtlich wurde der Passant vom Gümmeler niedergewalzt und jetzt warteten sie, sich gegenseitig anschweigend, auf die Polizei. Der Fussgänger griff sich immer wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Brustkorb und rauchte dabei eine Zigi nach der anderen.  „Wenn du nicht so viel qualmen würdest, wären deine Rippen auch weniger morsch.“, sagte ich ihm in Gedanken. Doch wer im Zuckergusshaus sitzt, sollte nicht mit Chicken-Wings um sich werfen. Nicht wahr?

Mit zittrigem Finger drückte ich die Klingel. Der Buzzer surrte und ich stieg hängenden Hauptes die steilen Treppen zum Schaffot empor. (Eigentlich nahm ich den Lift aber das klang einfach nicht dramatisch genug). Als ich das ZEB (Zentrum für Ernährungsberatung und Bewegung) betrat, begrüsste mich Frau Spahr mit einem freundlichen: „Hoi, ich bin d’Corinne.“ Das spontane Duzis freute mich und ich hoffte, dass die baldige Schelte in Du-Form nicht so scharf klingen würde.

Corinnes Beratungsraum war in besänftigenden Orangetönen gehalten und wirkte auf mich, wie Corinne übrigens auch, sehr beruhigend. Meine Panik wich einer gewissen Zufriedenheit. Nachdem mir Corinne Einiges über ausgewogene Ernährung und die ideale Tellerverteilung beigebracht hatte, war es an der Zeit die Kalorienbombe platzen zu lassen. Ich präsentierte ihr meine Ernährungsliste der letzten drei Tage – und ging in Deckung. Doch Corinnes Gemütszustand blieb stabil bis unverändert. Keine Metamorphose zum feuerspeienden Drachen! En contraire.

Nach einer kurzen Studie meiner Liste, legte sie mir auf sanfte Art und Weise nahe, etwas mehr Gemüse, Salat und Früchte in meine Kost einzubauen. Ich hätte offensichtlich für mein Alter noch eine sehr gute Verbrennung und würde deswegen, trotz fettiger Kost, scheinbar nicht übermässig an Gewicht zulegen. Sogar die Nutellabrötli zum Z’morge gewährte sie mir, denn Corinne ist der Ansicht, dass Lebensfreude beim Essen das A und O für eine gute Ernährung ist. Würde man während einer fettigen Mahlzeit stetig denken, dass man jetzt deswegen 4 Kilo zunimmt, werde man Ende des Monats auch 4 Kilo schwerer sein. Mentales Training wirkt halt auch in die andere Richtung. Corinne bestätigte meine Vermutung, dass zu viele Leute mit einem schlechten Gewissen vor ihren Tellern sitzen und keine wahre Freude am Essen haben. Ich hätte noch viel länger philosophieren und fachsimpeln können aber die Zeit wurde knapp.

Zum Schluss hatte ich noch drei Fragen, die mich beschäftigten: 1. Gemüse in der Konservendose oder tiefgekühlt? Antwort: Klar tiefgekühlt. 2. Macht die Mikrowelle das Essen zu nährwertlosem Matsch? Antwort: Laut Bundesamt für Ernährung, nein. Durch die oftmals tiefere Garungszeit, ist eher das Gegenteil der Fall. 3. Sind 5 Vodka Red-Bull an einem Montagabend zu viel? Antwort: Auf die Hälfte reduzieren und nur ein Mal in der Woche.
Liebe Corinne Spahr, ich werde in Zukunft nur noch halb so viel aber dafür mit doppelter Lebensfreude essen und trinken. Prost und vielen Dank für den Nutella-Freipass.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen