Während ich in Bern auf das 9er Tram wartete, hatte
ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Man könnte auch von einem Völlegefühl im
Bauch sprechen. Oder Übervöllegefühl. Treffender wäre wohl der Ausdruck
„Platzangst“. Denn seit ich weiss, dass ich bei der Ernährungsberatung antanzen
soll, betreibe ich sündhafte Völlerei und zwar aus Angst nach diesem Termin
wohl nie mehr ohne schlechtes Gewissen „feine“ Sachen essen zu dürfen. Endzeitstimmung
bestimmte meinen Menueplan.
Meine Hausaufgabe für das Treffen mit Corinne Spahr
bestand darin, aufzuschreiben was ich während drei Tagen alles so esse. Die
FfL-Redaktion meinte, so würde ein Ernährungsprofil über meine Essgewohnheiten
entstehen und Frau Spahr könne sich so ein besseres Bild von meinem mutmasslich
übermässigen Kalorienkonsum machen. Hab ich heute schon erwähnt, dass ich meine
Redaktion liebe? Nein? Gut so.
Natürlich war mein Kalorienkonsum übermässig - aber
nur, weil ich noch alles in mich hineinstopfte was da bei mir zu Hause, im Coop
oder bei McDonalds so rumlag. Die Liste, die aufzeigen sollte, was ich in den
letzten drei Tagen alles gegessen und vor allem getrunken hatte, war lang.
Diese Liste könnte man gegebenen Falls in meiner Todesanzeige als
wahrscheinliche Todesursache aufführen. Und diese Liste würde wohl in Kürze
eine liebenswürdige Ernährungsberaterin, (Frau Spahr wirkte am Telefon sehr
nett) in einen feuerspeienden Drachen verwandeln.
Damit sie sich zu Hause ein Bild von meinem Speiseplan
machen können, drucke ich hier, eins zu eins, die Auflistung meiner Mahlzeiten
ab:
ESSEN:
Montag:
2 Teller Spätzli mit Ei
2 Mokka-Joghurt
2 Teller Spaghetti / 4
Hacktätschli mit Baguette
4 Toast mit Lachs
2 Toast mit Nutella
Dienstag:
4 Toast mit Nutella und
ein Mokka-Joghurt
1 McChicken mit Pommes
plus Sundea mit Schokososse
1 Teller Spätzli mit
Salat
2 Toast mit Nutella
1 Ahorn-Joghurt
Mittwoch:
4 Toast mit Nutella
9 Chicken Wings mit
Pommes
2 Milchbrötli mit
Mortadella
Weissbrott mit Nutella
Ein halber Sack Erdnüsse
2 Teller Spätzli mit
Currysosse
1 Ahorn-Joghurt
TRINKEN in dieser Zeit:
3 Liter Shorley
(Apfelschorle)
1,5 Liter Coke Zero
1,5 Liter Milch mit
Crunchie-Ovo
5 Vodka Red-Bull
1 Sambucca
1 Cüppli
1 Shot Wicks Medinait
SPORTLICHE BETÄTIGUNGEN
in dieser Zeit:
- 2 mal 10 Liegestützen
- 3 mal 7 Klimmzüge
- 1 mal Fangis spielen
mit den Kids auf dem Spielplatz
- Geschlechtliche
Aktivitäten möchte ich hier lieber nicht aufführen, da ich aus Erfahrung
masslos übertreiben, was zu einer erheblichen Verfälschung des Resultats führen
könnte.
Sie
werden verstehen, dass ich mit dieser Liste in der Tasche zunehmends nervöser
wurde. Als ich an der Schwarztorstrasse 11 ankam, war ich ganze 25 Minuten zu
früh. Genug Zeit um noch zwei Schinkengipfeli aus meiner Nasch-Tasche als Henkersmalzeit
in meinen sündigen Körper zu stopfen. Während ich mir das Zeug reumütig
einverleibte, bemerkte ich einen Velofahrer und einen Fussgänger. Beide
blickten mit finsterer Miene auf ein Velo mit einem „Achti“ im Vorderrad.
Offensichtlich wurde der Passant vom Gümmeler niedergewalzt und jetzt warteten
sie, sich gegenseitig anschweigend, auf die Polizei. Der Fussgänger griff sich
immer wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Brustkorb und rauchte dabei
eine Zigi nach der anderen. „Wenn
du nicht so viel qualmen würdest, wären deine Rippen auch weniger morsch.“,
sagte ich ihm in Gedanken. Doch wer im Zuckergusshaus sitzt, sollte nicht mit
Chicken-Wings um sich werfen. Nicht wahr?
Mit
zittrigem Finger drückte ich die Klingel. Der Buzzer surrte und ich stieg
hängenden Hauptes die steilen Treppen zum Schaffot empor. (Eigentlich nahm ich
den Lift aber das klang einfach nicht dramatisch genug). Als ich das ZEB
(Zentrum für Ernährungsberatung und Bewegung) betrat, begrüsste mich Frau Spahr
mit einem freundlichen: „Hoi, ich bin d’Corinne.“ Das spontane Duzis freute mich
und ich hoffte, dass die baldige Schelte in Du-Form nicht so scharf klingen
würde.
Corinnes
Beratungsraum war in besänftigenden Orangetönen gehalten und wirkte auf mich,
wie Corinne übrigens auch, sehr beruhigend. Meine Panik wich einer gewissen
Zufriedenheit. Nachdem mir Corinne Einiges über ausgewogene Ernährung und die
ideale Tellerverteilung beigebracht hatte, war es an der Zeit die Kalorienbombe
platzen zu lassen. Ich präsentierte ihr meine Ernährungsliste der letzten drei
Tage – und ging in Deckung. Doch Corinnes Gemütszustand blieb stabil bis
unverändert. Keine Metamorphose zum feuerspeienden Drachen! En contraire.
Nach
einer kurzen Studie meiner Liste, legte sie mir auf sanfte Art und Weise nahe,
etwas mehr Gemüse, Salat und Früchte in meine Kost einzubauen. Ich hätte offensichtlich
für mein Alter noch eine sehr gute Verbrennung und würde deswegen, trotz
fettiger Kost, scheinbar nicht übermässig an Gewicht zulegen. Sogar die
Nutellabrötli zum Z’morge gewährte sie mir, denn Corinne ist der Ansicht, dass
Lebensfreude beim Essen das A und O für eine gute Ernährung ist. Würde man
während einer fettigen Mahlzeit stetig denken, dass man jetzt deswegen 4 Kilo
zunimmt, werde man Ende des Monats auch 4 Kilo schwerer sein. Mentales Training
wirkt halt auch in die andere Richtung. Corinne bestätigte meine Vermutung,
dass zu viele Leute mit einem schlechten Gewissen vor ihren Tellern sitzen und
keine wahre Freude am Essen haben. Ich hätte noch viel länger philosophieren
und fachsimpeln können aber die Zeit wurde knapp.
Zum
Schluss hatte ich noch drei Fragen, die mich beschäftigten: 1. Gemüse in der
Konservendose oder tiefgekühlt? Antwort: Klar tiefgekühlt. 2. Macht die
Mikrowelle das Essen zu nährwertlosem Matsch? Antwort: Laut Bundesamt für
Ernährung, nein. Durch die oftmals tiefere Garungszeit, ist eher das Gegenteil
der Fall. 3. Sind 5 Vodka Red-Bull an einem Montagabend zu viel? Antwort: Auf
die Hälfte reduzieren und nur ein Mal in der Woche.
Liebe
Corinne Spahr, ich werde in Zukunft nur noch halb so viel aber dafür mit
doppelter Lebensfreude essen und trinken. Prost und vielen Dank für den
Nutella-Freipass.
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