Mitten in der Nacht klingelte mein
Handywecker. 05.30 Uhr! Die Redaktion hatte mich für das fiese „Zueri City Boot
Camp“ angemeldet und deshalb zwängte ich mich auch um 06.17 Uhr in zu enge
Sportklamotten um mich Minuten später von einem Wildfremden auf offener Strasse
foltern zu lassen. Als ich um 06.27 Uhr aufs Velo stieg, war es immer noch
dunkel. Die liebe Zeit würde nicht reichen um pünktlich um 06.30 Uhr am
Bürkliplatz zu sein. Unterwegs malte ich mir schon aus, welche Strafe es wohl
für 5 Minuten Verspätung setzte. 20 Liegestütze im Stossverkehr? 30 Sit-Ups vor
dem Sprüngli? Oder gar einen Banker Huckepack zur Arbeit tragen?
Nix von all dem war der Fall. Als
ich mich endlich zum Dienst meldete, begrüsste mich Raoul mit einem herzlichen:
„Hoi Midi. Schön, dass ich dich endlich mal kennenlerne.“ Superfreundlich
stellte er mir die kleine Truppe, bestehend aus Carolyn, Jule und Stefan, vor.
Als Willkommensgeschenk übergaben sie mir ein „Zueri City Boot
Camp“-Trainingsshirt. Stefan, der aus dem Nichts einen Fotoapparat zückte,
machte fix ein paar Fotos wie Raoul mir feierlich das Shirt überreichte und die
beiden Damen sich links und rechts dazudrapierten. Hey, was soll ich sagen?
Eben noch hasste ich meinen Job und jetzt konnte ich nicht genug davon kriegen.
Doch meinen C-Promi-Bonus konnte ich
mir schon ziemlich bald ans pulsierende Schienbein streichen, denn, geht hier der
Drill erst mal los, bleibt einem das Lächeln im Hals oder sonstwo stecken. Wie
ein kleiner Sturmtrupp brausten wir los. Über die Quaibrücke Richtung Zürihorn
im Stechschritt Marsch. Mein Puls drohte ständig Kapriolen zu machen, denn das
Schlagwort „Boot Camp“ signalisierte meiner weiblichen Intuition, dass hier
ausser etwas lästigem Morgenjogging noch gehörig mehr Schmerzpotential auf mich
wartete. Instructor Raoul führte die Truppe mit natürlicher Autorität durch die
Morgendämmerung. An der Seepromenade angelangt, machten wir ein kurzes Warm up
mit verräterischer Ruhe-vor-dem-Sturm-Qualität. Bei der ersten Parkbank, die
flink zur Folterbank mutieren sollte, war es dann soweit: Raoul zwang uns sie
als riesigen Treppentritt zu benutzen und zwar ohne mit dem unteren Bein
abstossen zu dürfen. Oberschenkelgrüze-Alarm! Darauf nahmen wir auf einer Wiese
am See unsere Therabands zur Hand, fixierten sie mit den Füssen am Boden und
spannten sie zu seitlichen Sonnengrüssen die in einer schmerhaften Hocke
mündeten. Als Nachtisch gabs eine Portion Liegestütze im nassen Grass. Lecker. Salat
an einer würzigen Morgentau-Sauce. Und mit dem zählen hat der Gute seine liebe
Mühe. Wenn er sagt, „Und jetzt machen wir noch 8 Stück.“, kann es durchaus
sein, dass er nur jede Zweite zählt.
Mit gehörigem Pulsschlag im Hals
gings zur nächsten Übung. „Hier machen wir den Simon Amman“, meinte Raoul und
liess uns vermehrt breitbeinig auf eine kleine Mauer springen. Noch immer herrschten
empfindliche 11 Grad und mein Körper wusste nicht so recht ob er jetzt frieren
oder erschöpft sein soll. Aber für solche Fisimatenten blieb keine Zeit, denn der
Bodentrupp verschob sich hastig weiter zum nächsten Gefecht mit dem inneren
Schweinehund. Grundsätzlich konnte man davon ausgehen, dass Raoul aus jeder
Erhöhung im Gelände ein fieses, Milchsäure produzierendes, Techtelmechtel
bastelte.
Beim Zürihorn ging dann endlich die
Sonne auf und vor lauter Freude darüber, streckten wir, auf einer Stufe
sitzend, unsere Füsse dem Himmel entgegen. Diese Übung, im Volksmund besser
bekannt als „Fieser Bauchmuskel-Spanner“, dauerte länger als die Ewigkeit. Eine
Möwe, die am Seeufer sass, beobachtete unser Treiben. Raoul versicherte uns:
„Sobald dieser Vogel wegfliegt, könnt ihr aufhören.“ Stumm in mich hineinleidend,
starrte ich das Federvieh an. Die blöde Möwe bewegte sich keinen Deut. Auch
nicht als wir von unseren Qualen erlöst wurden und erschöpft zurück Richtung
Bürkliplatz aufbrachen. „Hättest du dein Wort gehalten, wenn die Möwe
tatsächlich weggeflogen wäre?“, fragte ich Raoul skeptisch. „Natürlich“, war
sein Kommentar. Ich wurden den Gedanken nicht los, dass dieser verdammte Vogel
aus Plastik ist.
Trotz weiteren Aufgaben mit dem
Theraband und zahlreichen nahrhaften Intervall-Sprints wuchs die Moral der
Truppe zunehmend. Die Morgensonne hatte Gold im Mund und bescherte uns ein
scheues aber deutlich wahrnehmbares Runners-High, das uns auf dem Rückweg
förmlich über die Quaibrücke fliegen liess. Das „Zueri City Boot Camp“ weckte den
Masochisten in mir und ist ein Garant für einen Ganzkörpermuskelkater. Danke
Sir! Darf ich um einen weiteren bitten, Sir!?
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