Freitag, 24. Januar 2014

I survived the „Zueri City Boot Camp“


Mitten in der Nacht klingelte mein Handywecker. 05.30 Uhr! Die Redaktion hatte mich für das fiese „Zueri City Boot Camp“ angemeldet und deshalb zwängte ich mich auch um 06.17 Uhr in zu enge Sportklamotten um mich Minuten später von einem Wildfremden auf offener Strasse foltern zu lassen. Als ich um 06.27 Uhr aufs Velo stieg, war es immer noch dunkel. Die liebe Zeit würde nicht reichen um pünktlich um 06.30 Uhr am Bürkliplatz zu sein. Unterwegs malte ich mir schon aus, welche Strafe es wohl für 5 Minuten Verspätung setzte. 20 Liegestütze im Stossverkehr? 30 Sit-Ups vor dem Sprüngli? Oder gar einen Banker Huckepack zur Arbeit tragen?

Nix von all dem war der Fall. Als ich mich endlich zum Dienst meldete, begrüsste mich Raoul mit einem herzlichen: „Hoi Midi. Schön, dass ich dich endlich mal kennenlerne.“ Superfreundlich stellte er mir die kleine Truppe, bestehend aus Carolyn, Jule und Stefan, vor. Als Willkommensgeschenk übergaben sie mir ein „Zueri City Boot Camp“-Trainingsshirt. Stefan, der aus dem Nichts einen Fotoapparat zückte, machte fix ein paar Fotos wie Raoul mir feierlich das Shirt überreichte und die beiden Damen sich links und rechts dazudrapierten. Hey, was soll ich sagen? Eben noch hasste ich meinen Job und jetzt konnte ich nicht genug davon kriegen.

Doch meinen C-Promi-Bonus konnte ich mir schon ziemlich bald ans pulsierende Schienbein streichen, denn, geht hier der Drill erst mal los, bleibt einem das Lächeln im Hals oder sonstwo stecken. Wie ein kleiner Sturmtrupp brausten wir los. Über die Quaibrücke Richtung Zürihorn im Stechschritt Marsch. Mein Puls drohte ständig Kapriolen zu machen, denn das Schlagwort „Boot Camp“ signalisierte meiner weiblichen Intuition, dass hier ausser etwas lästigem Morgenjogging noch gehörig mehr Schmerzpotential auf mich wartete. Instructor Raoul führte die Truppe mit natürlicher Autorität durch die Morgendämmerung. An der Seepromenade angelangt, machten wir ein kurzes Warm up mit verräterischer Ruhe-vor-dem-Sturm-Qualität. Bei der ersten Parkbank, die flink zur Folterbank mutieren sollte, war es dann soweit: Raoul zwang uns sie als riesigen Treppentritt zu benutzen und zwar ohne mit dem unteren Bein abstossen zu dürfen. Oberschenkelgrüze-Alarm! Darauf nahmen wir auf einer Wiese am See unsere Therabands zur Hand, fixierten sie mit den Füssen am Boden und spannten sie zu seitlichen Sonnengrüssen die in einer schmerhaften Hocke mündeten. Als Nachtisch gabs eine Portion Liegestütze im nassen Grass. Lecker. Salat an einer würzigen Morgentau-Sauce. Und mit dem zählen hat der Gute seine liebe Mühe. Wenn er sagt, „Und jetzt machen wir noch 8 Stück.“, kann es durchaus sein, dass er nur jede Zweite zählt.

Mit gehörigem Pulsschlag im Hals gings zur nächsten Übung. „Hier machen wir den Simon Amman“, meinte Raoul und liess uns vermehrt breitbeinig auf eine kleine Mauer springen. Noch immer herrschten empfindliche 11 Grad und mein Körper wusste nicht so recht ob er jetzt frieren oder erschöpft sein soll. Aber für solche Fisimatenten blieb keine Zeit, denn der Bodentrupp verschob sich hastig weiter zum nächsten Gefecht mit dem inneren Schweinehund. Grundsätzlich konnte man davon ausgehen, dass Raoul aus jeder Erhöhung im Gelände ein fieses, Milchsäure produzierendes, Techtelmechtel bastelte.

Beim Zürihorn ging dann endlich die Sonne auf und vor lauter Freude darüber, streckten wir, auf einer Stufe sitzend, unsere Füsse dem Himmel entgegen. Diese Übung, im Volksmund besser bekannt als „Fieser Bauchmuskel-Spanner“, dauerte länger als die Ewigkeit. Eine Möwe, die am Seeufer sass, beobachtete unser Treiben. Raoul versicherte uns: „Sobald dieser Vogel wegfliegt, könnt ihr aufhören.“ Stumm in mich hineinleidend, starrte ich das Federvieh an. Die blöde Möwe bewegte sich keinen Deut. Auch nicht als wir von unseren Qualen erlöst wurden und erschöpft zurück Richtung Bürkliplatz aufbrachen. „Hättest du dein Wort gehalten, wenn die Möwe tatsächlich weggeflogen wäre?“, fragte ich Raoul skeptisch. „Natürlich“, war sein Kommentar. Ich wurden den Gedanken nicht los, dass dieser verdammte Vogel aus Plastik ist.

Trotz weiteren Aufgaben mit dem Theraband und zahlreichen nahrhaften Intervall-Sprints wuchs die Moral der Truppe zunehmend. Die Morgensonne hatte Gold im Mund und bescherte uns ein scheues aber deutlich wahrnehmbares Runners-High, das uns auf dem Rückweg förmlich über die Quaibrücke fliegen liess. Das „Zueri City Boot Camp“ weckte den Masochisten in mir und ist ein Garant für einen Ganzkörpermuskelkater. Danke Sir! Darf ich um einen weiteren bitten, Sir!?

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