Freitag, 24. Januar 2014

Midi tanzt den Zumba


Egal wie griesgrämig man gerade drauf ist, nach zehn Minuten Zumba, geht einem im Herzen die Sonne auf. Achtung, fertig, Zumba und schon tanzt man mit dreissig anderen Frauen mit viel Hüftwunder dem Sonnenuntergang im imaginären Club Med entgegen, obwohl es nur eine bitterkalte Dezembernacht in einem Altersheim-Aktionsraum in Zürich-Hottingen ist. Könnte mich mal bitte jemand ins Füdli chlüben, denn ich habe das Gefühl, ich träume. (Autsch!) Doch nein, es ist war. Ich stehe hier tatsächlich zwischen vielen leicht bekleideten Damen welche sich synchron im Takt der Musik durch verschiedene Choreos bewegen und liebevoll darüber hinwegsehen, dass ich ein absoluter Fremdkörper bin. Denn ja, etwas stimmt hier nicht. Himmel! Ich bin tatsächlich eine begeisterte Zumba-Tante, gefangen in einem Männerkörper. Wie zur Hölle konnte das geschehen?

Wie immer, hatte ich absolut keine Lust mich körperlich irgendwie anzustrengen, geschweige denn, schwierigen Zumba-Schrittfolgen zu folgen. Ich denke, sie können mir folgen. Wie immer, wenn das Fallbeil für die nächste Folter einer anstehenden Fit-for-Life-Kolumne niedersaust, werde ich, und das sollte dieses Mal nicht anders sein, zur fleischgewordenen Unlust. Wenn Unlust Leute wäre, wäre ich China. Okay? Okay. Aber eben, sie würden diese Zeilen hier nicht lesen können, hätte ich mich nicht einmal mehr dazu überwunden, dem inneren Schweinehund eine reinzuhauen. Doch es tat, wie immer, grässlich weh.

Um Punkt 21Uhr stand ich brav zwischen etwa dreissig Frauen und fügte mich der Gewalt der Gezeiten. Herrin der Gezeiten war Nancy Staub, ein unscheinbares Energiebündel, welches innert Sekunden zur bösen, drahtigen Zumba-Kampfmaschine mutieren konnte. Wäre die gute Nancy nicht im fünften Monat schwanger gewesen, hätte ich eine prima Erklärung dafür gehabt, ihrem Pace nicht folgen zu können. Aber eben, sie war im fünften Monat schwanger – und ich nicht. Sie war eine Frau und ich nicht. Sie konnte Zumba und ich nicht.

Üblicherweise würde ich ungefähr an dieser Stelle meiner Kolumne mit der Aufzählung beginnen, was ich in meinen jeweiligen sportlichen Abenteuern so an Übungen durchgepowert habe. Aber so stark ich mich auch konzentriere, mir kommt einfach nichts mehr in den Sinn von all dem, was ich in diesen 60 Minuten Zumba gemacht habe. Oder soll ich besser sagen, nachgemacht habe? Oder soll ich besser sagen, versuchte nachzumachen? Von der ersten Minute an war nämlich mein, schon von Natur aus unterdurchschnittlich ausgestattetes Bewegungszentrum meines Gehirns, überfordert mit der Aufgabe alle Schrittkombinationen korrekt nachzustolpern. Stetig war ich eine Nanosekunde im Hintertreffen, was in meiner Birne einen „Constant Error“ auslöste. Dazu prasselten auf meine Ohrmuscheln dezibelgeschwängerte Afro-Rhythmen ein, welche meine Konzentration fürs Wesentliche zusätzlich verringerten um nicht zu sagen pulverisierten. Und die Tatsache, dass sich in jedem möglichen Blickfeld (ich stand in der Mitte des Raumes) tanzende Frauen befanden, liess mein einfaches Männergemüt etwa auf den Intellekt eines aufgeschäumten Ackergauls schrumpfen, der zur Befruchtung bereit steht. Kein schönes Bild. Gebe ich zu. Aber die Karikatur von Swen bringt die Situation so ziemlich auf den Punkt.

Aber, und jetzt kommt das Bemerkenswerte, egal wie benommen und lendentaumlig ich mich durch die Zumba-Choreos kämpfte und dabei meine Menschenwürde haufenweise ins eigene Grab schaufelte, je länger ich das tat, je glücklicher wurde ich. Ja, sie haben richtig gehört. Zumba macht glücklich. Nicht Geld, Gold oder Geiz, nein Zumba. Es muss irgend etwas mit den sich stetig wiederholenden Bewegungsabläufen zu tun haben. Da entstand dieses wohlige Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach jeder Tanzsalve gab’s eine kurze Verschnaufpause mit eingebautem Applaus, den wir uns selber schenkten. Danach ging’s gleich weiter mit einem neuen Musikstück und weiteren Tänzchen, wie früher in der Disco, einfach nüchtern - und älter.  Aber denken sie jetzt nicht, Zumba sei nicht anstrengend. Boah! Es ist anstrengend, fragen sie meine Lunge. Ich möchte ja nicht wissen, wie ich leiden würde, wenn Nancy mal nicht im fünften Monat schwanger die Stunde gibt, denn, ich Gegenteil zur ihr, setzten bei mir frühzeitige Wehen ein. Doch es war ein guter Schmerz, der sowieso laufend von meinen Endorphinen egalisiert wurde. Erst am nächsten Morgen als mein, eh schon steifes Becken, von einem bösen Muskelkater glasiert wurde, merkte ich, was ich meinem Körper angetan hatte. 

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