Irgendwie hat die Redaktion
rausgefunden, dass ich die Sommerferien in meinem wunderschönen Heimatort
Albinen im Wallis verbringe. Also suchten mir die Schreibtisch-Sados einfach
den höchsten Berg in der Gegend, nämlich das Torrenthorn (3000 M.ü.M.), heraus
und beauftragten mich dort rauf zu klettern. Was die Leuchten im Backoffice aber
nicht wissen konnten ist, ich war schon
des Öfteren auf dem Torrenthorn. Ha...! Das letzte Mal vor genau, warten sie
mal, da muss ich jetzt kurz rechnen, äh, mein Gott - vor ziemlich genau 20
Jahren. Tja, was solls? Der Berg wird in dieser Zeit wohl kaum gewachsen sein,
ganz im Gegenteil zu meiner Körpermitte. Hmpf...!
Mein primäres Problem war aber gar
nicht mal die Besteigung des Torrenthorns sondern die Tatsache, dass ich mit
zwei zwirbligen Kindern und meiner 82-jährigen Mutter in den Bergen war. Die
Drei konnten natürlich unmöglich mit auf den Dreitausender. Also brachte ich
sie auf der „Rinderhütte“, neben der Bergstation, in einem Bar-Rondell umzäunt
von einem elektrischen Kuhdraht unter. Meine Liebsten in dieser Berglandschaft
alleine zurück zu lassen gefiel mir nicht aber gab mir einen enormen Antrieb,
die 700 Höhenmeter so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
Auf der Wanderweg-Tafel war die
Strecke mit 2 Stunden taxiert. Ich setzte mir das Ziel das Ding, wie vor 20
Jahren, in einer Stunde zu meistern. Im Dorf unten lachte sie mich aus als ich
erzählte, dass ich „schnell“ aufs Torrenthorn wolle. „Ihär hüärä Grüezini wällt
immer alles schnäll-schnäll machu.“, hiess es. Man prognostizierte mir mindestens
1,5 Stunden Wanderzeit. Na wenn das nicht genug Ansporn war um das letzte
Quentchen Energie aus meinem minimal durchtrainierten und von Völlerei
geplagten Körper zu prügeln.
Nach einer überschwenglichen Verabschiedung
von meiner Familie, drückte ich „Go“ auf meiner Handy-Stoppuhr und joggte
topmotiviert den Wanderweg hoch. Nach 30 Sekunden entschied ich mich, statt zu
joggen, einfach schnell zu gehen, denn Beides ergab etwa die selbe
Geschwindigkeit. Nach weiteren 30 Sekunden entschied ich mich von „schnellem
Gehen“ in „einfaches Wandern“ zu wechseln, was eher meinem Alter entsprach. Ich
trug Shorts, Turnschuhe, ein Poloshirt und eine Trainerjacke, die ich aber
ziemlich bald auszog weil die Sonne ziemlich niederbrannte. Ich hatte keinen
Rucksack, keine Trinkflasche, rein gar keinen Ballast, der mich an einer
Spitzenzeit hindern konnte. Im Vorfeld der Wanderung ging ich extra nicht aufs
Klo um so, wie die Kamele in der Wüste, Feuchtigkeit in meinem Höcker als
Reserve aufzubewahren. Clever
nicht?
Nach 20 Minuten befand ich mich erst
am Ende der obersten Skilifte des Torrent-Gebiets angelangt. Ich schleppte mich
weiter den Berg hoch. Mein Puls und meine Atemkadenz waren am oberen Anschlag
und jetzt wurde es erst richtig steil. Ich fühlte deutlich, dass mir der Saft
in den Beinen fehlte, dafür hatte ich genug in der Blase. Irgendwie klappte
meine Kamel-Höcker-Methode nicht. Keuchend und mit Druck auf der Blase stieg
ich weiter hinauf. In der Zwischenzeit war ich auf dem Gratweg angelangt. Hier
gabs keine Möglichkeit schnell Wasser zu lassen, da stetig andere Wanderer vom
Berg abstiegen. Das Terrain wechselte jetzt von Gras zu Geröll. Es wurde noch
steiler. Der Schweiss schoss mir aus den Poren, was in meinem Körper eine Aufwärts-Saugbewegung
bewirkt haben muss, denn mein Klo-Drang war plötzlich weg.
Wie im Wahn stieg ich unter
grässlichen Schmerzen höher und höher. Links und rechts vom Grat gings steil abwärts
und ich lief hier am Limit zwischen Spontanschwindel und Laktat-Husten-Elend
durch die Gegend. Ich glaube, meine Familie da unten sollte sich eher Sorgen um
mich machen als ich um sie. Als ich endlich den Schafsberg erreicht hatte gings
eine weite Geröllfläche hoch zum Torrenthorn. Da sah ich vor mir ein Gruppe
Sport-Wanderer. Im totalen Verfolgungswahn holte ich die Posse bald ein. Wie
sich herausstellte waren es keine durchtrainierte Berg-Rambos sondern nur eine
holländische Familie. Hallo?! Wie wenig Würde muss man in sich haben, wenn man
darauf stolz ist, hier eine Familie zu überholen die aus einem Land kommt wo’s
null Berge hat? Als ich genüsslich schnaubend an ihnen vorbeizog, merkte ich
wie sich der älteste Teenager-Sohn an meine Fersen heftete. Verdammt. Das
könnte hier wirklich noch hässlich enden für mich, wenn ich in meiner Kolumne
schreiben müsste, dass ich kurz vor dem Gipfel meines Hausbergs noch von einem
pickligen, unerfahrenen Niederländer gedemütigt wurde. Ich weiss ja nicht wie,
aber der Gedanke genau das hier schreiben zu müssen, zündete bei mir den
Nachbrenner. Ich rannte jetzt die letzten 300 Meter zum Gipfel hoch. Wie ein
Besessener kramte ich meine Handy-Stoppuhr hervor: 55 Minuten! Wahnsinn! Neuer
Rekord – und das in meinem biblischen Alter. In dieser Gipfelsturm-Euphorie,
schrieb ich meiner Mutter eine SMS und rannte den ganzen weiten Weg wieder runter.
Nonstop. Nach 35 Minuten Down-Hill in den Beinen war ich wieder lebend in der
Rinderhütte angekommen. Die Familie war wieder vereint und das war gut so. Nur
hatte ich in den folgenden Tagen einen Muskelkater, dass mir bei jedem
verdammten Schritt schlecht wurde.
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