Alle Leser dieser Kolumne
wissen, wenn ich das Wort „Wassersport“ nur schon höre, kriege ich Schnappatmung.
Dann können sie sich wohl vorstellen, was das Wort „Unterwasserrugby“ bei mir
ausgelöst hat. Richtig: Panik, garniert mit weibischen Schreisalven.
Melchior, Marcel und Niels,
die das UWR-Training im Hallenbad Oerlikon leiteten, kümmerten sich wirklich
rührend um mich. Als erstes kriegte ich eine verschnürbare Badekappe mit
eingebautem Ohrenschutz, einen Schnorchel und Flossen. Melchior meinte, ich
solle diese ABC-Ausrüstung die ganze Zeit über anbehalten, damit ich mich daran
gewöhne. Okay...? Ich schaute mich um und sah, dass mittlerweile alle diese
ABC-Masken aufhatten und machte mit. Melchior schickte mich ins Nass zum
Einschwimmen. Nachdem ich zwei Längen abgerissen hatte, zeigte mir Melchior
(Oder war es Marcel?) wie man sich unter Wasser am besten fortbewegt. Mit
diesen ABC-Ausrüstung sahen im Wasser plötzlich alle gleich aus und ich war so
überfordert mit der stark eingeschränkten Sicht, dass ich phasenweise nicht
mehr wusste, wer mir gerade Anweisungen gab.
Wenn man unter Wasser richtig
Speed aufbauen will, muss man sich wie ein Delfin bewegen. Die Arme gehen
gestreckt nach vorne und so lässt man die Welle durch den Köper nach hinten
zucken und fertig ist der Fleisch-Torpedo. Nach ein paar Korrekturen klappte
diese Delfin-Technik auch bei mir ganz okay. Ich profitierte von meiner
Fähigkeit, für längere Zeit die Luft anhalten zu können. Das war aber auch
wirklich das einzige Talent, das ich mitbrachte. Dank zeitweiligem
Orientierungsverlust, prallte ich auf der Schwimmbahn immer wieder in andere
Trainings-Teilnehmer und mauserte mich so allmählich, sie haben’s bereits geahnt,
zum Klassendepp.
Melchior (oder war es Niels?)
stellte mir endlich denjenigen vor, der beim UWR die Hauptrolle spielt: den
Ball. Er war rot, handlich und mit Salzwasser gefüllt – damit er sinkt. Im
Einschwimm-Becken hatte ich die Möglichkeit ein paar Pässe zu „stossen“. Das fühlte
sich ein wenig an wie Kugelstossen, einfach mit mehr Wasser und deutlich weniger
Luft zum atmen. Gerade als bei mir etwas Party-Laune aufzukeimen drohte, kam
Melchior oder Marcel mit der Hiobsbotschaft. Er offenbarte mir ganz beiläufig,
dass wir nachher ins Sprungbecken wechseln werden und sich das Tor beim UWR auf
einer Tiefe von 5, ich wiederhole 5, in Worten FÜNF Metern befindet. Mein
Hintern lief langsam auf Grundeis und eine spontane Schnappatmungs-Attacke
überkam meinen aufgeweichten Körper.
Marcel (Oder war es doch
Melchior oder gar Niels?) führte mich schon mal zum Einzel-Crash-Kurs ins Sprungbecken.
Während er damit beschäftigt war, die Tore am Grund des Beckens
festzuschrauben, versuchte ich in alter Big-Blue-Manier runterzutauchen. Doch
ein stechender Schmerz in der Stirngegend hielt mich davon ab. Melchior oder
Niels gab mir den Rat, mit geschlossener Nase mal so richtig durchzupusten und
nochmals runterzugehen. Danach ging’s einigermassen, schmerzte aber immer noch
genug um als Spassbremse zu fungieren.
Die dreizehn 12 anderen Schwimmer
stiessen dazu und wurden von Niels oder Marcel in zwei Mannschaften aufgeteilt.
Ich war der Joker bei den weissen Badekappen. Beim Tschau Sepp ist der „Joker“
einer, der alles kann. Beim UWR ist der Joker einer, der nix kann und als zusätzlicher
Spieler einem Team aufs Auge gedrückt wird. Nachdem Marcel, oder vielleicht
auch Melchior, unsere Mannschaft auf das Spiel eingeschworen hatte, ging’s los.
Alle Beteiligten schwammen
wie wild Richtung Ball, der sich in der Mitte auf dem Beckengrund befand. Ich
holte tief Luft und stürzte mich mutig ins Getümmel. Da Unten ging’s zu und her
wie in einem Piranha-Becken. Plötzlich bekam ich von Niels oder Melchior oder
meiner Grossmutter einen Pass und hielt das erste und letzte Mal in diesem
Spiel den Ball in meinen schrumpligen Fingern. Innert Sekunden spürte ich
tausend Hände, Füsse und alles was dazugehört auf mir. Kurz danach war der
Spuck schon wieder vorbei, denn die Meute hatte was sie von mir wollte, den
Ball. Sie liessen mich verdattert und atemlos zurück. Die ABC-Ausrüstung stand
mir schräg im Gesicht und ich wusste nicht mehr wo Oben und Unten ist. Als ich an
der Oberfläche endlich wieder zu Luft kam war mir klar, dass ich mit dem
restlichen Verlauf des Spiels nichts mehr zu tun haben werde.
Die Anderen schwammen da
unten wie Delphine herum. Mit brachialem Durchsetzungsvermögen versuchten sie
den Ball in den Korb zu zwängen. Wenn der Ball mal frei wurde, setzte ich halbherzig
zu einem Alibi-Tauchgang an. Doch auf dem Weg nach Unten war er schon wieder
weg. Ich war einfach zu langsam und mein Kopf fühlte sich an wie die U96 kurz
vor dem Bersten. Also verharrte ich für den Rest des Spiels in zunehmender Schockstarre an der Oberfläche. Ich
war die „Costa Concordia“ der schweizerischen Wassersports. Aber grossen
Applaus an Melchior, Marcel und Niels für den Versuch aus einem Weichei eine
harte Nuss zu machen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen