Freitag, 24. Januar 2014

Midi überlebt das UWR


Alle Leser dieser Kolumne wissen, wenn ich das Wort „Wassersport“ nur schon höre, kriege ich Schnappatmung. Dann können sie sich wohl vorstellen, was das Wort „Unterwasserrugby“ bei mir ausgelöst hat. Richtig: Panik, garniert mit weibischen Schreisalven.

Melchior, Marcel und Niels, die das UWR-Training im Hallenbad Oerlikon leiteten, kümmerten sich wirklich rührend um mich. Als erstes kriegte ich eine verschnürbare Badekappe mit eingebautem Ohrenschutz, einen Schnorchel und Flossen. Melchior meinte, ich solle diese ABC-Ausrüstung die ganze Zeit über anbehalten, damit ich mich daran gewöhne. Okay...? Ich schaute mich um und sah, dass mittlerweile alle diese ABC-Masken aufhatten und machte mit. Melchior schickte mich ins Nass zum Einschwimmen. Nachdem ich zwei Längen abgerissen hatte, zeigte mir Melchior (Oder war es Marcel?) wie man sich unter Wasser am besten fortbewegt. Mit diesen ABC-Ausrüstung sahen im Wasser plötzlich alle gleich aus und ich war so überfordert mit der stark eingeschränkten Sicht, dass ich phasenweise nicht mehr wusste, wer mir gerade Anweisungen gab.

Wenn man unter Wasser richtig Speed aufbauen will, muss man sich wie ein Delfin bewegen. Die Arme gehen gestreckt nach vorne und so lässt man die Welle durch den Köper nach hinten zucken und fertig ist der Fleisch-Torpedo. Nach ein paar Korrekturen klappte diese Delfin-Technik auch bei mir ganz okay. Ich profitierte von meiner Fähigkeit, für längere Zeit die Luft anhalten zu können. Das war aber auch wirklich das einzige Talent, das ich mitbrachte. Dank zeitweiligem Orientierungsverlust, prallte ich auf der Schwimmbahn immer wieder in andere Trainings-Teilnehmer und mauserte mich so allmählich, sie haben’s bereits geahnt, zum Klassendepp.

Melchior (oder war es Niels?) stellte mir endlich denjenigen vor, der beim UWR die Hauptrolle spielt: den Ball. Er war rot, handlich und mit Salzwasser gefüllt – damit er sinkt. Im Einschwimm-Becken hatte ich die Möglichkeit ein paar Pässe zu „stossen“. Das fühlte sich ein wenig an wie Kugelstossen, einfach mit mehr Wasser und deutlich weniger Luft zum atmen. Gerade als bei mir etwas Party-Laune aufzukeimen drohte, kam Melchior oder Marcel mit der Hiobsbotschaft. Er offenbarte mir ganz beiläufig, dass wir nachher ins Sprungbecken wechseln werden und sich das Tor beim UWR auf einer Tiefe von 5, ich wiederhole 5, in Worten FÜNF Metern befindet. Mein Hintern lief langsam auf Grundeis und eine spontane Schnappatmungs-Attacke überkam meinen aufgeweichten Körper.

Marcel (Oder war es doch Melchior oder gar Niels?) führte mich schon mal zum Einzel-Crash-Kurs ins Sprungbecken. Während er damit beschäftigt war, die Tore am Grund des Beckens festzuschrauben, versuchte ich in alter Big-Blue-Manier runterzutauchen. Doch ein stechender Schmerz in der Stirngegend hielt mich davon ab. Melchior oder Niels gab mir den Rat, mit geschlossener Nase mal so richtig durchzupusten und nochmals runterzugehen. Danach ging’s einigermassen, schmerzte aber immer noch genug um als Spassbremse zu fungieren.

Die dreizehn 12 anderen Schwimmer stiessen dazu und wurden von Niels oder Marcel in zwei Mannschaften aufgeteilt. Ich war der Joker bei den weissen Badekappen. Beim Tschau Sepp ist der „Joker“ einer, der alles kann. Beim UWR ist der Joker einer, der nix kann und als zusätzlicher Spieler einem Team aufs Auge gedrückt wird. Nachdem Marcel, oder vielleicht auch Melchior, unsere Mannschaft auf das Spiel eingeschworen hatte, ging’s los.

Alle Beteiligten schwammen wie wild Richtung Ball, der sich in der Mitte auf dem Beckengrund befand. Ich holte tief Luft und stürzte mich mutig ins Getümmel. Da Unten ging’s zu und her wie in einem Piranha-Becken. Plötzlich bekam ich von Niels oder Melchior oder meiner Grossmutter einen Pass und hielt das erste und letzte Mal in diesem Spiel den Ball in meinen schrumpligen Fingern. Innert Sekunden spürte ich tausend Hände, Füsse und alles was dazugehört auf mir. Kurz danach war der Spuck schon wieder vorbei, denn die Meute hatte was sie von mir wollte, den Ball. Sie liessen mich verdattert und atemlos zurück. Die ABC-Ausrüstung stand mir schräg im Gesicht und ich wusste nicht mehr wo Oben und Unten ist. Als ich an der Oberfläche endlich wieder zu Luft kam war mir klar, dass ich mit dem restlichen Verlauf des Spiels nichts mehr zu tun haben werde.

Die Anderen schwammen da unten wie Delphine herum. Mit brachialem Durchsetzungsvermögen versuchten sie den Ball in den Korb zu zwängen. Wenn der Ball mal frei wurde, setzte ich halbherzig zu einem Alibi-Tauchgang an. Doch auf dem Weg nach Unten war er schon wieder weg. Ich war einfach zu langsam und mein Kopf fühlte sich an wie die U96 kurz vor dem Bersten. Also verharrte ich für den Rest des  Spiels in zunehmender Schockstarre an der Oberfläche. Ich war die „Costa Concordia“ der schweizerischen Wassersports. Aber grossen Applaus an Melchior, Marcel und Niels für den Versuch aus einem Weichei eine harte Nuss zu machen.





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