Freitag, 24. Januar 2014

Midi beim Triathlon


Da stand ich also. Zitternd am Beckenrand des Freibads der Gemeinde Stettfurt, bekleidet mit einer blumigen Surfer-Badehose inmitten hochmotivierter Triathleten, alle in schnittigen Neopren-Anzügen. Es regnete und das würde auch den ganzen Tag so bleiben. Ich war die Nummer 675 und reihte mich ein, um an meinem ersten Triathlon an den Start zu gehen. 200 Meter schwimmen, 17 Kilometer Rad fahren und zum Schluss noch 4 Kilometer humpeln. Für die meisten Leser von FIT for LIFE klingen diese Distanzen wohl schon fast lächerlich, aber mir erschien dieser Triathlon in der Kategorie „Plausch“ härter als eine endlose Hindernisstrecke in einem pakistanischen Al-Kaida Trainingslager.

Auf ein akustisches Signal hin begab ich mich ins Wasser und machte mich auf den Weg, die vier Längen hinter mich zu bringen. Die erste Länge legte ich, für meine Verhältnisse, ziemlich schnell zurück. Zu schnell, wie ich dann beim zurück schwimmen bemerkte. Was sich vorher bei mir noch als Kampfgeist bemerkbar machte, verwandelte sich jetzt in puren Überlebenskampf, denn es ist nun mal ein Naturgesetz, dass ein Körper, der sich im Wasser nicht mehr bewegt, schlicht untergeht - oder eine Leiche ist. Wie auch immer, die dritte Länge schwamm ich, um etwas Entspannung zu erlangen, auf dem Rücken, wie ein Eisbär im Zoo-Becken, nur langsamer. Auf der vierten praktizierte ich dann wieder den bewährten Brustschwumm und schleppte mich so über die Distanz.

Auf dieser kurzen Strecke wurde ich schon etwa gefühlte drei Mal überholt. In Wirklichkeit waren es sieben, aber mehr als die Hälfte nahm ich während meiner Planscherei gar nicht wahr. Der Ausstieg war im Kinderbecken, dort kam man über drei Stufen an Land. Zwei Helfer standen bereit, um den Leuten, die sich überschätzt hatten - und zu denen ich mich ganz klar zählte - etwas unter die Arme zu greifen. Zum Glück, denn kaum war ich aus dem Wasser, funktionierte die Erdanziehung wieder und meine Beine sackten weg.

Jetzt rannte ich mit kleinen, vorsichtigen Schritten einen Grashügel hoch, um in die Wechselzone zu gelangen. Mit der Nummer 675 war mein Bike zum Glück gleich am Anfang der Zone positioniert. Wer weiss ob, verdattert wie ich war, ich mein Velo sonst gefunden hätte. Meine Ausrüstung war eher rustikaler Natur. Eine blaue IKEA-Tasche, gefüllt mit alten Bike-Klamotten und Wasser! Ja, Wasser, weil die Tasche ja nicht verschliessbar ist und es die letzten 45 Minuten ununterbrochen rein regnete. Super! Aber das war mir egal, denn heute würde ich ja sowieso nur einmal nass werden.

Es war ein spezielles Gefühl, sich mit Puls 170 vor so vielen Leuten splitternackt auszuziehen und in pflotschnasse Bike-Wear zu steigen. Aber das freigesetzte Adrenalin in meinem Körper senkte meine Schamgrenze deutlich. Ich wollte eigentlich nur noch weg hier, doch die feuchten Kleider zwangen mich zu einer unfreiwilligen Slapstick-Nummer. Das junge Mädchen direkt neben mir absolvierte die Wechselzone in wenigen Sekunden und liess mich verzweifelt in meiner Textil-Hölle zurück. Wie machte sie das bloss?

Irgendwann schaffte ich es, mich auf mein weisses Ibis-Bike zu schwingen und nahm die 17 Kilometer in Angriff. Gerade als ich im Begriff war, an der leichten Anhöhe hochmotiviert aus dem Sattel zu gehen, brauste von hinten das Feld der doppelten Plausch-Distanz, welches sich jetzt auf der zweiten Runden befand, heran und liess mich im Dauerregen am Hang stehen. So muss sich Jan Ullrich gefühlt haben, als er während der Tour de France 1998 auf dem Galibier Pass neun Minuten auf Pantani einbüsste. Nach der Hälfte der Strecke ging es endlich bergab, doch blies mir der Gegenwind den Regen so stark in die Rübe, dass mein Zahnstein am Halszäpfchen aufprallte. Als ich mich endlich in die Wechselzone zurückkämpfte, entledigte ich mich der überflüssigen vollgesogenen Kleider und versuchte zu rennen.

Doch irgendwie waren meine Beine noch im Pedaliermodus und zwangen mich krampfartig in eine seltsam geduckte Haltung. Der Glöckner beim Jogging. Sehr schön. Beim Aufstieg auf regennasser Fahrbahn und aufgeweichtem Terrain gabs dann aber keine Stilnoten, sondern eine Up-Hill-Schlammschlacht, bei welcher die Milchsäure in meine Beine einschoss wie Napalm. Ein paar hundert Meter nach der Anhöhe „entfaltete“ sich mein Laufstil langsam wieder zu einer einigermassen aufrechten Gangart und so konnte ich den Triathlon, zumindest rein optisch, würdevoll zu Ende laufen. Nach einem glorreichen Zieleinlauf (mit Namensnennung über die Verstärkeranlage), holte ich mir voller Stolz mein Finisher-Shirt – und zwar getrieben aus einer Mischung aus euphorischem Ehrgeiz und purer Naivität, in der Grösse S.

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