Da stand ich also. Zitternd am Beckenrand des Freibads
der Gemeinde Stettfurt, bekleidet mit einer blumigen Surfer-Badehose inmitten
hochmotivierter Triathleten, alle in schnittigen Neopren-Anzügen. Es regnete
und das würde auch den ganzen Tag so bleiben. Ich war die Nummer 675 und reihte
mich ein, um an meinem ersten Triathlon an den Start zu gehen. 200 Meter
schwimmen, 17 Kilometer Rad fahren und zum Schluss noch 4 Kilometer humpeln.
Für die meisten Leser von FIT for LIFE klingen diese Distanzen wohl schon fast
lächerlich, aber mir erschien dieser Triathlon in der Kategorie „Plausch“
härter als eine endlose Hindernisstrecke in einem pakistanischen Al-Kaida
Trainingslager.
Auf ein akustisches Signal hin begab ich mich ins
Wasser und machte mich auf den Weg, die vier Längen hinter mich zu bringen. Die
erste Länge legte ich, für meine Verhältnisse, ziemlich schnell zurück. Zu
schnell, wie ich dann beim zurück schwimmen bemerkte. Was sich vorher bei mir
noch als Kampfgeist bemerkbar machte, verwandelte sich jetzt in puren
Überlebenskampf, denn es ist nun mal ein Naturgesetz, dass ein Körper, der sich
im Wasser nicht mehr bewegt, schlicht untergeht - oder eine Leiche ist. Wie
auch immer, die dritte Länge schwamm ich, um etwas Entspannung zu erlangen, auf
dem Rücken, wie ein Eisbär im Zoo-Becken, nur langsamer. Auf der vierten
praktizierte ich dann wieder den bewährten Brustschwumm und schleppte mich so
über die Distanz.
Auf dieser kurzen Strecke wurde ich schon etwa
gefühlte drei Mal überholt. In Wirklichkeit waren es sieben, aber mehr als die
Hälfte nahm ich während meiner Planscherei gar nicht wahr. Der Ausstieg war im
Kinderbecken, dort kam man über drei Stufen an Land. Zwei Helfer standen
bereit, um den Leuten, die sich überschätzt hatten - und zu denen ich mich ganz
klar zählte - etwas unter die Arme zu greifen. Zum Glück, denn kaum war ich aus
dem Wasser, funktionierte die Erdanziehung wieder und meine Beine sackten weg.
Jetzt rannte ich mit kleinen, vorsichtigen Schritten
einen Grashügel hoch, um in die Wechselzone zu gelangen. Mit der Nummer 675 war
mein Bike zum Glück gleich am Anfang der Zone positioniert. Wer weiss ob,
verdattert wie ich war, ich mein Velo sonst gefunden hätte. Meine Ausrüstung
war eher rustikaler Natur. Eine blaue IKEA-Tasche, gefüllt mit alten
Bike-Klamotten und Wasser! Ja, Wasser, weil die Tasche ja nicht verschliessbar
ist und es die letzten 45 Minuten ununterbrochen rein regnete. Super! Aber das
war mir egal, denn heute würde ich ja sowieso nur einmal nass werden.
Es war ein spezielles Gefühl, sich mit Puls 170 vor so
vielen Leuten splitternackt auszuziehen und in pflotschnasse Bike-Wear zu
steigen. Aber das freigesetzte Adrenalin in meinem Körper senkte meine
Schamgrenze deutlich. Ich wollte eigentlich nur noch weg hier, doch die
feuchten Kleider zwangen mich zu einer unfreiwilligen Slapstick-Nummer. Das
junge Mädchen direkt neben mir absolvierte die Wechselzone in wenigen Sekunden
und liess mich verzweifelt in meiner Textil-Hölle zurück. Wie machte sie das
bloss?
Irgendwann schaffte ich es, mich auf mein weisses
Ibis-Bike zu schwingen und nahm die 17 Kilometer in Angriff. Gerade als ich im
Begriff war, an der leichten Anhöhe hochmotiviert aus dem Sattel zu gehen,
brauste von hinten das Feld der doppelten Plausch-Distanz, welches sich jetzt
auf der zweiten Runden befand, heran und liess mich im Dauerregen am Hang
stehen. So muss sich Jan Ullrich gefühlt haben, als er während der Tour de
France 1998 auf dem Galibier Pass neun Minuten auf Pantani einbüsste. Nach der
Hälfte der Strecke ging es endlich bergab, doch blies mir der Gegenwind den
Regen so stark in die Rübe, dass mein Zahnstein am Halszäpfchen aufprallte. Als
ich mich endlich in die Wechselzone zurückkämpfte, entledigte ich mich der
überflüssigen vollgesogenen Kleider und versuchte zu rennen.
Doch irgendwie waren meine Beine noch im Pedaliermodus
und zwangen mich krampfartig in eine seltsam geduckte Haltung. Der Glöckner
beim Jogging. Sehr schön. Beim Aufstieg auf regennasser Fahrbahn und aufgeweichtem
Terrain gabs dann aber keine Stilnoten, sondern eine Up-Hill-Schlammschlacht,
bei welcher die Milchsäure in meine Beine einschoss wie Napalm. Ein paar
hundert Meter nach der Anhöhe „entfaltete“ sich mein Laufstil langsam wieder zu
einer einigermassen aufrechten Gangart und so konnte ich den Triathlon,
zumindest rein optisch, würdevoll zu Ende laufen. Nach einem glorreichen
Zieleinlauf (mit Namensnennung über die Verstärkeranlage), holte ich mir voller
Stolz mein Finisher-Shirt – und zwar getrieben aus einer Mischung aus
euphorischem Ehrgeiz und purer Naivität, in der Grösse S.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen