Endlich gab mir die Redaktion mal
ein Zückerchen. Ich sollte mit einem Stromer das linke Zürichseeufer unsicher
machen, bis der Akku leer ist. Das klingt doch nach einer Aufgabe, der sogar
ein trainingsfauler Sack wie ich, gewachsen ist.
Der Stromer ist meiner Meinung nach
das stylischste Elektrobike auf dem Markt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen
E-Bikes fehlt beim Stromer das verräterische „Kästchen“ mit dem Strom drin. Die
Power befindet sich beim Stromer nämlich im Unterrohr des Rahmens und lässt ihn
deshalb eher wie ein etwas wuchtig gebautes Mountain-Bike erscheinen. Perfekte
Tarnung also. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Gallus, ein alter Bekannter
und Freund der Redaktion zeigte Herz und stellte grosszügigerweise seinen
Stromer für diesen Testlauf zur Verfügung. Nach einer kurzen Einführungs-Speech
übergab er mir das magische Teil. Ich war schon ganz kribbelig vor Vorfreude. So
muss sich wohl ein Profi-Rennfahrer fühlen, nachdem er seinen ersten Liter Eigenblut
aus dem Kühlschrank geholt hat.
Passend zum Event trug ich ein
Maillot Jaune um auf der Schaut-mal-wie-gut-ich-in-Form-bin-Rennstrecke neben
dem Zürichsee ganz klar den Tarif durchzugeben. Denn heute würde ich hier mit
Bestimmtheit auf keinen ebenbürtigen Gegner treffen – es sei denn Fabian
Cancellara trainiert zufälligerweise gerade Heute in der Gegend und zerstört
meinen grossen Auftritt hier. Das Display zeigte den Begriff „Economy“ an. Ich
konnte also mit einer sanften Unterstützung des Stromers rechnen. Vorsichtig
trat ich in die Pedalen, denn dies war mein erstes Mal auf einem E-Bike und da
bringt man doch eine Portion Respekt mit. Und da war sie auch schon, diese
unsichtbare Hand, die mich anschob und mir ein spontanes Jauchzen entlockte. Aber
hey, schön cool bleiben, wir wollen uns ja nicht zu stark exponieren und damit
berechtigte Dopingvorwürfe provozieren. Also begab ich mich mal ganz sachte und
unauffällig auf die Seestrasse und rollte, halbe Kraft voraus, Richtung Horgen
davon.
Auf der geraden Strecke vor mir
ortete ich Nichts ahnende Opfer, die vor sich hinradelten. Ohne Mühe war ich
innert kurzer Zeit mit 35 km/h unterwegs. Mein Gehirn schaltete in den
„konstant-Freude-empfind-Modus“. Ich switchte die Kraft-Quelle von „Economy“ zu
„Power“ und gab den Pedalen alle mobilisierbaren Oberschenkel-Watt zu fressen. Juchheissa,
ging das ab! Diese horende Beschleunigung war der Hammer. Als hätte King Kong
gerade hinter mir niessen müssen. Ich bretterte mit 50 Sachen über die Strasse
und reichte diese armen Seestrassengümmeler so was von durch, dass die wohl für
den Rest ihres Lebens erkältet sein werden. Mein Gehirn schaltete jetzt in den
Da-hauts-dir-dä-Sack-id-Wüeschti-Modus. Dieser unglaubliche Speed liess mich so
irrwitzig grinsen wie Jack Nicholson als er in „The Shining“ seinen Kopf durch
die eingeschlagene Tür steckte. „Here’s Midi...!“
Aber trotz des erhöhten Fun-Faktors
musste ich höllisch aufpassen keinen Unfall zu bauen. Denn alle Autos, welche aus
den Zufahrtsstrassen in die Seestrasse einbogen, unterschätzen mein hohes Tempo
und fuhren unbesorgt drauflos. Man fährt so schnell wie ein Töff, sieht aber
immer noch aus wie ein Velo. In meinem Übermut hängte ich mich in den
Windschatten eines Kleinlasters und donnerte mit 55 Km/h Horgen entgegen. Ich
brauchte weniger als eine Viertelstunde um von der Roten Fabrik zum Bahnhof
Horgen zu gelangen. Die Batterie hatte sich schon um mehr als die Hälfte
entladen also kehrte ich um.
Auf dem Rückweg radelte vor mir ein
ziemlich fit erscheinender Typ. Ich überholte ganz langsam und köderte ihn mit
meinem Windschatten. Nachdem er „angebissen“ hatte, erhöhte ich langsam aber
sicher das Tempo. Bei 47 Km/h war bei ihm Ende Feuer und er musste abreissen
lassen. Aber ich brachte es nicht übers Herz ihn im Glauben zu lassen, dass er gerade
von einem Irren auf einem Mountain-Bike mit etwas Hüftgold unter dem Maillot Jaune
abgehängt wurde. Also liess ich mich wieder zurückfallen und beichtete ihm,
dass ich mit dem Stromer gedopt sei. Vom fiesen Windschattenspiel war er immer
noch ganz ausser Atem und brachte nur noch einen Satz über die Lippen: „Was
choschtet das Ding?“ „Keine Ahnung!“, rief ich ihm entgegen und brauste wieder
davon.
Ich wollte ja schliesslich noch die
Uphill-Qualitäten des Stromers testen. Also machte ich noch einen Abstecher
rüber ins Sihltal. Wie Pantani zu seinen besten Mont-Ventoux-Zeiten drückte ich
das Bike mit 30 Stundis in die Passkurven. Nur der Wiegetritt entpuppte sich
als Ding der Unmöglichkeit, weil da immer einer von Hinten das Bike wegschiebt.
Die Anzeige für die Batterie begann zu blinken. Höchste Zeit, wieder zurück zu
fahren. Beim Downhill lud sich die Batterie wieder etwas auf und trug mich noch
bis Rüschlikon. „Error“ stand da auf dem Display und kurz darauf wurde ich auf
den Boden der Realität zurückgeholt. Eben noch flog ich als Rocketeer durch die
Gegend und jetzt war ich plötzlich nur noch ein untertrainierter Clown in einem
Maillot Jeaune auf einem 25-Kilo-Bike, der sich mit Müh und Not zurück in die
Stadt schleppte. Aber schön wars trotzdem. Dank dem Stromer bekam ich einen
kurzen Augenschein, wies früher war als ich noch aus eigener Kraft in 1.45h um
den Zürichsee flog. Aber hey, vielleicht kommt das ja wiedermal. Die Hoffnung
stirbt zuletzt - aber ich wahrscheinlich vorher.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen