„Bist du schon mal mit Rollskis
gefahren!“, fragte mich Dani Grab vom Nordic Ski Langlaufcenter Schindelegi. Ich verneinte mit leicht
verkniffener Mine. „Aber du machst doch bestimmt Langlauf, oder?“, doppelte er
nach. Ich hob die Augenbrauen: „Äh, auch nicht.“ Danis Lächeln machte einem
besorgten Ausdruck Platz. Das war wohl ein schlechtes Zeichen für meine
gesundheitliche Zukunft. Grund genug um Rollski-Crack Bruno Bricker
aufzufordern, mir kurz vor dem Start noch einen kleinen Crash-Kurs zu
verpassen. Gutmensch Bruno sagte lächelnd zu.
Okay, was nun? Ach ja, meine Kinder
hingen mir mit einem „Papi-mir-händ-Durst“-Endlosschlaufe in den Ohren. „Nicht
jetzt Kinder.“ Der gute Dani drückte mir ein Paar Rollskis samt Schuhen, Schoner-Set
und Stöcken auf die Brust. Ich stand da wie einer, der bei der Quartierfest-Tombola
den Flug für zwei Personen nach New York nur knapp verpasst hatte. Als
Mutmacher offerierte mir Dani eine Prise Schnupftabak auf seinem Handrücken. Ich
winkte ab: „Nein danke, ich muss erst noch den Heroinkater von gestern
abklingen lassen. Vielleicht im nächsten Leben.“ Unter diesen Umständen, könnte
das ja schon bald sein.
Im Festzelt auf dem Fussballplatz
von Tuggen Schwyz, bewässerte ich meine Kids mit etwas Eistee, was einen fiesen
Angriff der lokalen Wespen-Gang zur Folge hatte. Unser mühsam aufgebauter
Zürcher Coolness-Faktor sank drastisch und sollte bald ein Rekordtief
verzeichnen.
Mit dem Scharfsinn eines Primaten,
schaffte ich es nach gefühlten 3 Stunden die vollständige Rollski-Ausrüstung
über meinen Körper zu stülpen. Auf dem noch leeren Start/Ziel-Bereich half mir
Bruno in die Skibindung und zeigte mir wie man die Skistöcke einschlauft. Ab
jetzt war bei mir alles wacklig und tolpatschig. Nur schon die Startnummer „230“,
an meine Brust zu heften, wurde zur unfreiwilligen Comedynummer - und ich war
noch keinen Zentimeter gefahren. Meine ersten „Gehversuche“ gipfelten in
unzähligen Faststürzen. Meine Kinder kicherten am Pistenrand wie Hyänen.
Besässe ich mehr Geld, hätte ich sie an Ort und Stelle enterbt - aber eben, ich
war alt und brauchte die Kohle.
Bruno fuhr neben mir her und
beobachtete mein Getorkel mit Sorge. Mit der Geduld und Entschlossenheit eines
Profis, zeigte er mir in kurzer Zeit, wie man mit dem „Stemmbogen“ bremsen kann
und so die Abfahrt vor dem Ziel meistert. Er riet mir keine gestreckten Beine
zu machen und stets leichte Vorlage zu geben um zu verhindern rücklings auf dem
Steissbein zu landen. Okay. Sowas nennt man wohl eine Last-Minute
Schadensbegrenzung. Aber würde das reichen um mir nicht das Genick zu brechen?
Plötzlich knallte uns Dani Grab mit einer
Pistole den Startschuss um die Ohren. Alle flogen davon. Nur ich kämpfte mit
meiner rustikalen Technik gegen unfreiwilligen Bodenkontakt und sah dabei aus
wie Quasimodo auf Rädern. Ich war so langsam, dass ich die Kommentare aus dem
Publikum gut hören konnte: „Was genau macht er da?“, oder „Ui nei, de Arm.“ Im
besten Fall hiess es: „Das git sicher wieder ä geili Kolumne.“ Meine Kinder
lernten spätestens jetzt, was fremdschämen bedeutet.
Ich stolperte mich allmählich in
einen Skate-Schritt hinein, gewann etwas an Fahrt und fuhr in der ersten Kurve
dem dort postierten Sicherheitsmann entgegen. Der machte sich schon bereit mich
aufzufangen. Doch irgendwie schaffte ich, halb fahrend, halb hüpfend, den Rank.
„Gueti Fahrt!“, rief er mir hinterher. In der nächsten Kurve, feierte eine Schar
Sportfans eine Grillparty. Bierselig johlten sie mich durch die Kurve. Ich
johlte zurück und kämpfte gleichzeitig gegen die heimtückische Flieh- und
Schwerkraft-Kombi. Diese Schrecksekunden in spontan auftretender Rücklage,
trieben mir den Angstschweiss literweise aus dem schütteren Haaransatz.
Später, auf unbewohntem Gebiet, und
somit ohne Zeugen, überholte ich sogar einen Teilnehmer, der offensichtlich von
Muskelkrämpfen geplagt zur Seite fuhr und ich war sogar stolz darauf. Wow! Ich
würde also nicht als Letzter durchs Ziel gehen. Irgendwann konnte ich diese
wunderschöne Strecke durch die Linthebene sogar geniessen. Als ich das Ziel
schon vor Augen hatte, überrundete mich mein Rollski-Guru und gleichzeitig
einer der besten Volkslangläufer der Nation, Bruno Bricker auf der Zielgeraden.
Er machte die 6,4 Kilometer zwei Mal und gewann mit grossem Abstand. Als ich
mich dem Zielbereich näherte, schrie der Kommentator: „Und da kommt schon der
zweite Fahrer...! Aber nein, das kann nicht sein. Schauen sie sich mal diese
Technik an. Das MUSS ein überrundeter Fahrer sein.“ Jaja, schon gut. Doch das
hinderte mich nicht daran, auf der Ziellinie euphorisch „Nöd umgheit!“ zu schreien
und meine Kinder zu umarmen als wäre ich gerade von einer Weltreise zurückgekehrt.
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