In der Luft lag ein Geruch als hätte
jemand einen Sack voll mit Achselhöhlen zum auslüften aufgehängt. Ich war etwas
zu früh dran und wartete mit etwa dreissig anderen Teilnehmern darauf etwas
Abendfitness auf mich zu nehmen. Draussen regnete es in Strömen und es wäre der
perfekte Abend gewesen um auf dem Sofa „Angry Birds“ zu spielen. Aber statt
dessen sollte ich hier im Functional Training an meine Leistungsgrenze
geschoben werden – und darüber hinaus. Endlich wurde die Turnhalle frei. Die
Teilnehmer der Stunde vor uns verliessen die Halle als wären sie gerade um ihr
Leben gerannt. Was hatte man ihnen bloss angetan? Eins war klar, in einer
Stunde würde ich genau so aussehen wie sie.
Mit einem Grinsen als hätten sie mit
zwei Kleiderbügel im Mund übernachtet, lachten mir die beiden Coaches Beni und
Gogo entgegen. Au Backe, die Zwei kenne ich vom CrossFit Turicum.
Offensichtlich wurden sie angeheuert um ausgerechnet heute, wenn ICH ins
Functional Training gehe, die Turnhalle aufzumischen. Beni und Gogo haben Schultermuskeln
bis über beide Ohren, könnten also nie Briefträger werden weil die Tasche immer
von den Schultern rutschen würde. Nach einer herzlichen Begrüssung mit
obligatem Bodybuilder-Gruss (Handschlag oben, nicht unten) wechselte ihr
Gesichtsausdruck in sekundenschnelle von spassig zu einem professionellen Hier-lernst-du-was-fürs-Leben-Blick.
Die Meute wurde in Fortgeschrittene und Rookies unterteilt. Ich schlich mich natürlich
zu den Rookies. Für uns Neue, gabs ein spezielles Warm-up, welches sich später
als Warm-up fürs eigentliche Warm-up herausstellen sollte.
Voller Elan legte ich mich mächtig
ins Zeug. Das Warm-up wurde zum Heat-up. Irgendwie mündete jede fiese Übung in
einer Liegestütze oder fühlte sich zumindest so an. An einem bestimmten Punkt
fügten wir Rookies uns fliessend ins Programm der Fortgeschrittenen ein. Beni
und Gogo forderten mit schroffem Ton Leistung von uns. Wir plagten uns
Turnhallenlänge um Turnhallenlänge durch schmerzhafte Gangarten, in denen wir
die Oberschenkel in Stimmung oder eben Missstimmung brachten. „So, und jetzt
sind wir bereit fürs Warm-up.“, meinte Beni. Ungläubig schaute ich ihn an.
Seine ernste Mine verriet mir, das eben war kein Scherz.
Wir verteilten uns in der Halle für
– na was wohl? – genau, das Warm-up. Am Boden sah man grosse Schweiss-Lachen
welche von den Teilnehmern der letzten Stunde stammten. Stumme, flüssige Zeugen
ihrer Leiden. Völlig ausser Puste machte ich im Warm-up was von mir verlangt
wurde. Ich kämpfte mich durch Burpees, Squads und Thrusters mit Kettlebells.
Den Rest gaben mir diese Liegestützen bei denen man jeweils einen Fuss neben
den Arm stellt und damit in der Luft bleibt. Das war der Killer. Irgendwann legte
ich jegliche Scham ab und stöhnte bei jeder Übung wie Monica Seles zu ihren
besten Zeiten. Benis Standartspruch hiess: „Wenn ihr das Gefühl habt, dass es
nicht mehr geht – einfach ignorieren und weitermachen.“ Ha,ha, selten so
gelacht. Mein Lunch, ein McChicken-Menue von McDonalds, zwängte sich gerade bröckchenweise
durch meine Schweissporen und der Komiker macht hier lustige Sprüche. Bei aller
Härte des Programms, spürte man, dass Beni und Gogo alle Teilnehmer genau im
Auge hatten und darauf achteten, dass sich keiner verletzt.
Die letzen fünfzehn Minuten waren
dazu da, das Schmerz-Sahnehäubchen abzuschöpfen. In dieser viertel Stunde
sollten wir alternierend an einer Reckstange hängend, zehn Klappmesser machen
und mit einem Sandsack beladen, zehn Thrusters durchpowern. Dann neun Klappmesser
und neun Thrusters – und so weiter bis zum bitteren Ende. Als gelungene Pointe
servierte uns Beni eine Kombination aus Kettlebells und Burpees um die
restliche Zeit dieser 15 Minuten noch auszufüllen. Alle lachten laut, weil
niemand daran glaubte, das Programm in der geforderten Zeit zu schaffen.
Beni und Gogo gaben uns das Go und
wir legten los. Nach zehn Klappmesser war ich schon so erschöpft, dass ich kaum
zum Sandsack rüberlaufen konnte. Mit letzter Kraft stemmte ich die zehn
Thrusters durch und schleppte mich in stoischer Gebrochenheit wieder zu den
Reckstangen um meine Füsse hochzuwuchten. Was soll ich sagen. Die folgenden
zwölf Minuten schmorte ich im Vorhof zur Hölle zwischen Brechreiz und akuter
Atemnot. Frei von Würde strauchelte ich in der Halle der Verdammnis hin und her
und „sass“ meine Zeit ab. Und siehe da, zum Schluss schafften wir alle noch
diese verdammten Burpees mit den Kettlebells um die restliche Zeit auszufüllen.
Die letzten zwei Minuten, musste ich jedoch mit geschlossenen Augen
durchstehen, denn der Schweiss lief mir literweise in die Augen. Da stand ich
also, blind wie eine Fledermaus und nass wie ein frischgeschlüpftes Kalb.
Bravo. Auch von mir blieb eine Schweiss-Lache auf dem Hallenboden zurück. Ein stummer,
flüssiger Zeuge meiner Leiden.
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