Freitag, 24. Januar 2014

Midi im Aroha


Midi ist stark wie ein Maori Krieger

„Aroha“ ist weder bündner Slang für Arosa, noch ist es eine umgangssprachliche hawaiianische Begrüssung. Nein, der Begriff Aroha kommt aus dem Maorischen, der Sprache der Ureinwohner Neuseelands, und bedeutet schlicht und einfach "Liebe". Schön, nicht?

Um diese Liebe zu erfahren, kramte ich wieder einmal meine Turnklamotten hervor und pilgerte gen Aargau ins Meck à Frick. Daniela, die grossherzig anbot, mich eine Stunde lang zu babysitten und mir gleichzeitig einen Einblick in die Welt des Aroha zu geben, begrüsste mich mit kräftigem Händedruck. Sie kündigte mir eine Trainingslektion an, die im unkomplizierten ¾ Takt Oberschenkel, Gesäss und Bauch festigt, eine Ansage mit der man jeden Mann sofort in die Flucht treibt. Und so war es dann auch eine Tatsache, dass sich, ausser mir, kein einziger Mann in diese Aroha-Stunde „wagte“. Männer halt.

Nachdem ich alle Frauen begrüsste, spürte ich, dass es Zeit wurde Abschied zu nehmen, denn ich stand offensichtlich in der Frauengarderobe. Etwas einsam streifte ich mir in der halbdunklen Cafeteria des Meck à Frick mein Turnzeugs über. Daniela besorgte mir freundlicherweise noch ein Glas Wasser. „Du wirst es noch brauchen“, meinte sie mütterlich. Im Tanzstudio stellte mich Daniela der Klasse nochmals kurz als Kult-Kolumnisten vor. Ich beschwichtigte bescheiden: „Tut einfach so als wär ich gar nicht hier. Beachtet mich nicht. Hihihi...“ Tja, daraus wurde nichts, denn Daniela befahl, dass Midi in die „Mitti“ muss und so begab ich mich etwas halbherzig und blöd kichernd in die Pole Position. Schüchtern in die Runde blickend versuchte ich mir ein Bild von der Frauenschar zu machen. Was würde wohl aus mir werden, wenn in wenigen Sekunden all diese Frauen ihren inneren Maori Krieger rauslassen? Werde ich diesen Raum je wieder in einem Stück verlassen? Weiss überhaupt jemand, dass ich hier bin? Wieso habe ich mich als Zürcher bloss ohne Polizeischutz in den tiefen Aargau begeben? Habe ich die Herdplatte zu Hause abgeschaltet? Tausend Fragen zermarterten die spärlichen Überreste meines Gehirns.

Daniela stand uns gegenüber, legte auf Brusthöhe ihre Faust in die offene Handfläche und verneigte sich. Wir taten es ihr nach. Dann setzte eine stark treibende Musik ein, die von mystischen Trommelklängen dominiert wurde. Diese Sound-Kulisse verlieh mir eine gewisse Kühnheit und ich wähnte mich als schiffbrüchiger Europäer in einem polynesischen Abenteuer-Film. Daniela begann mit einer einfach Abfolge von je einem seitlichen Ausfallschritt, bei der wir aber immer kämpferisch in einer stabilen Grätsche blieben. Das fühlte sich ganz harmonisch an, da wir uns alle zusammen im Rhythmus dieser Tribal-Musik bewegten. Stück für Stück fügte Daniela neue Bewegungen zur „Choreo“ bei. Pausenlos wiederholten wir diese immer länger werdende Kombination, die sich aber mein Spatzenhirn irgendwie einfach nicht merken konnte. So musste sich Ronald Reagen in seinem letzen Amtsjahr gefühlt haben. Erst als Daniela uns ein kleine Trinkpause gönnte, merkte ich die Anstrengung in meinem Körper. Die Damen, die eben noch hochkonzentrierte Maori waren, verwandelten sich für eine Minute in eine geschwätziges Kafikräntzchen. Faszinierend, dieser Wandel. Frauen halt.

Anschliessend gings weiter mit einer neuen Musik und anderen Abfolgen von kämpferischen Posen, welche mit immer dem gleichen Ausfallschritt verbunden waren. Das hatte was Spirituelles und liess mich, weit weg von Sarkasmus, grosse Freude empfinden. Sowas findet man halt in meiner sonstigen Vernissagen-Cüpli-Small-Talk-Welt im Zürcher Seefeld nicht wirklich. Die Angst vor den kriegerischen Frauen, die mich umringten, machte einem Gefühl der Stammesangehörigkeit platz. Zusammen kämpften wir jetzt auch mit lautem Kampfgebrüll und Faustschlägen gegen alles, was wir in unserem Leben nicht mehr wollen. Meine nörgelnde Nachbarin wurde dabei imaginär unzählige Male durch oberfiese Ninja-Punches in die ewigen Jagdgründe bugsiert. Mann, tat das gut! Nicht mal ein offener Schnursenkel an meinem Turnschuh hielt mich davon ab mir den Frust von der Seele zu arohen. Erst in der Trinkpause band ich ganz ausgeglichen den Knoten wieder zu.

Zum Schluss stellten wir uns alle in einem Kreis auf und gingen so alle Kombinationen an einem Stück durch. Das war irgendwie so ein Wing Tsun vs. Zumba featuring Aroha-Moment, der meine Glückshormone freisetzte und in einem finalen gemeinschaftlichen „Wuahhh!“-Kick gipfelte, welcher mein Ei des Kolumbus zu Tage kriechen liess. Danke Daniela, für diesen Lichtblick in Frick.

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