Midi ist stark wie ein Maori Krieger
„Aroha“ ist weder bündner Slang für
Arosa, noch ist es eine umgangssprachliche hawaiianische Begrüssung. Nein, der Begriff Aroha kommt
aus dem Maorischen, der Sprache der Ureinwohner Neuseelands, und bedeutet
schlicht und einfach "Liebe".
Schön, nicht?
Um diese Liebe zu erfahren, kramte ich wieder einmal meine Turnklamotten
hervor und pilgerte gen Aargau ins Meck à Frick. Daniela, die grossherzig anbot,
mich eine Stunde lang zu babysitten und mir gleichzeitig einen Einblick in die
Welt des Aroha zu geben, begrüsste mich mit kräftigem Händedruck. Sie kündigte
mir eine Trainingslektion an, die im unkomplizierten ¾ Takt Oberschenkel, Gesäss
und Bauch festigt, eine Ansage mit der man jeden Mann sofort in die Flucht
treibt. Und so war es dann auch eine Tatsache, dass sich, ausser mir, kein
einziger Mann in diese Aroha-Stunde „wagte“. Männer halt.
Nachdem ich alle Frauen begrüsste, spürte ich, dass es Zeit wurde
Abschied zu nehmen, denn ich stand offensichtlich in der Frauengarderobe. Etwas
einsam streifte ich mir in der halbdunklen Cafeteria des Meck à Frick mein
Turnzeugs über. Daniela besorgte mir freundlicherweise noch ein Glas Wasser. „Du
wirst es noch brauchen“, meinte sie mütterlich. Im Tanzstudio stellte mich
Daniela der Klasse nochmals kurz als Kult-Kolumnisten vor. Ich beschwichtigte
bescheiden: „Tut einfach so als wär ich gar nicht hier. Beachtet mich nicht.
Hihihi...“ Tja, daraus wurde nichts, denn Daniela befahl, dass Midi in die
„Mitti“ muss und so begab ich mich etwas halbherzig und blöd kichernd in die
Pole Position. Schüchtern in die Runde blickend versuchte ich mir ein Bild von
der Frauenschar zu machen. Was würde wohl aus mir werden, wenn in wenigen
Sekunden all diese Frauen ihren inneren Maori Krieger rauslassen? Werde ich
diesen Raum je wieder in einem Stück verlassen? Weiss überhaupt jemand, dass ich
hier bin? Wieso habe ich mich als Zürcher bloss ohne Polizeischutz in den
tiefen Aargau begeben? Habe ich die Herdplatte zu Hause abgeschaltet? Tausend
Fragen zermarterten die spärlichen Überreste meines Gehirns.
Daniela stand uns gegenüber, legte auf Brusthöhe ihre Faust in die offene
Handfläche und verneigte sich. Wir taten es ihr nach. Dann setzte eine stark
treibende Musik ein, die von mystischen Trommelklängen dominiert wurde. Diese Sound-Kulisse
verlieh mir eine gewisse Kühnheit und ich wähnte mich als schiffbrüchiger
Europäer in einem polynesischen Abenteuer-Film. Daniela begann mit einer
einfach Abfolge von je einem seitlichen Ausfallschritt, bei der wir aber immer
kämpferisch in einer stabilen Grätsche blieben. Das fühlte sich ganz harmonisch
an, da wir uns alle zusammen im Rhythmus dieser Tribal-Musik bewegten. Stück
für Stück fügte Daniela neue Bewegungen zur „Choreo“ bei. Pausenlos
wiederholten wir diese immer länger werdende Kombination, die sich aber mein
Spatzenhirn irgendwie einfach nicht merken konnte. So musste sich Ronald Reagen
in seinem letzen Amtsjahr gefühlt haben. Erst als Daniela uns ein kleine
Trinkpause gönnte, merkte ich die Anstrengung in meinem Körper. Die Damen, die
eben noch hochkonzentrierte Maori waren, verwandelten sich für eine Minute in eine
geschwätziges Kafikräntzchen. Faszinierend, dieser Wandel. Frauen halt.
Anschliessend gings weiter mit einer neuen Musik und anderen Abfolgen von
kämpferischen Posen, welche mit immer dem gleichen Ausfallschritt verbunden
waren. Das hatte was Spirituelles und liess mich, weit weg von Sarkasmus, grosse
Freude empfinden. Sowas findet man halt in meiner sonstigen Vernissagen-Cüpli-Small-Talk-Welt
im Zürcher Seefeld nicht wirklich. Die Angst vor den kriegerischen Frauen, die
mich umringten, machte einem Gefühl der Stammesangehörigkeit platz. Zusammen
kämpften wir jetzt auch mit lautem Kampfgebrüll und Faustschlägen gegen alles,
was wir in unserem Leben nicht mehr wollen. Meine nörgelnde Nachbarin wurde dabei
imaginär unzählige Male durch oberfiese Ninja-Punches in die ewigen Jagdgründe
bugsiert. Mann, tat das gut! Nicht mal ein offener Schnursenkel an meinem
Turnschuh hielt mich davon ab mir den Frust von der Seele zu arohen. Erst in
der Trinkpause band ich ganz ausgeglichen den Knoten wieder zu.
Zum Schluss stellten wir uns alle in einem Kreis auf und gingen so alle
Kombinationen an einem Stück durch. Das war irgendwie so ein Wing Tsun vs.
Zumba featuring Aroha-Moment, der meine Glückshormone freisetzte und in einem
finalen gemeinschaftlichen „Wuahhh!“-Kick gipfelte, welcher mein Ei des
Kolumbus zu Tage kriechen liess. Danke Daniela, für diesen Lichtblick in Frick.
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