Freitag, 24. Januar 2014

Geschüttelt, nicht gerührt


Wohl als Zeichen der Menschlichkeit gewährt, mir die Redaktion jeweils einmal im Jahr einen Freipass bei der Auswahl der verrückten Aktivitäten, die ich ausprobieren soll. Dieses Jahr entschied ich mich für einen Ride mit einem Monster-Trottinett. Sie wissen schon, die Trottis mit den riesigen Reifen, die hauptsächlich von durchschnittlichen Familien aus dem Flachland gemietet werden, um während den Sommerferien in den Bergen den gewissen Danger-Kick einzufahren.

Wie jedes Jahr machte ich mit meinen beiden Kindern und meiner betagten Mutter eine Woche Urlaub in Albinen, meinem Heimatort im schönen Wallis. Eher aus einer Mischung von Übermut und Bequemlichkeit schlug ich meinem Lieblingsonkel nach einer 3-stündigen Bergwanderung im Gebiet der Torrent Alp vor, den letzten Teil der Strecke auf diesen Monster-Trottis zurückzulegen. Für ihn als Einheimischen war die Idee, eines dieser Touristen-Traktoren zu mieten, wohl noch abwegiger als für mich, doch er liess sich nichts anmerken und nickte gastfreundlich durch. Deshalb ist er ja auch mein Lieblingsonkel. Nach einer kurzen Wartezeit, weil vor uns eben noch eine dieser Flachlandfamilien vier Monster-Trottis mieteten, stiegen mein Onkel und ich getarnt mit Helm und Sonnenbrille auf unsere Downhill-Maschinen. Vom ersten Moment an war ich völlig geflasht von diesem Gerät und flog jauchzend und japsend die Schotterstrasse runter. Verglichen mit einem Mountainbike weist, das Monster-Trotti in den Kurven eine erstaunliche Bodenhaftung auf. Fast wie auf Schienen kratzte ich euphorisch die Kurven. Mein frisch pensionierter Onkel hingegen, der für diese Aktion meiner Meinung nach den absoluten Senior-Jack-Ass-Award erhalten sollte, kämpfte in den Kurven noch sichtlich mit der Fliehkraft. Mit der Grazie eines gemächlichen Segway-Cruisers, massierte er sich die Bergstrasse runter. Doch die Tatsache, dass diese Monster-Trottis keine Federgabel haben verhinderte, dass wir beide auf dem groben Schotter gute Stilnoten bekamen. Um sich etwas Sicherheit zu kaufen muss man nämlich ziemlich tief in die Knie gehen. In dieser seltsamen Position sieht man dann aus  wie ein „Z“, welches rückwärts den Berg runterfährt oder eben wie jemand der auf einem fahrenden Outdoor-Klo sitzt und einen leichten Hang zum Exhibitionissmus pflegt. Eine stetige Vibration der Arme lässt sich aber nicht vermeiden und setzte uns nach einer Weile ziemlich zu. Mehr geschüttelt als gerührt kamen wir nach einer halbstündigen Abfahrt in der Talstation an. Während ich am liebsten gleich nochmals runtergefahren wäre, hatte mein Lieblingsonkel genug und strich genüsslich „Monster-Trottinett fahren mit durchgeknalltem Vetter“ von seiner Rentner-Bucket-Liste.

Am nächsten Tag war es natürlich ein leichtes, meine Kinder zu einer Fahrt mit dem Monster-Trotti zu überreden. Um das relativ schwere Teil zu lenken, waren sie aber noch zu klein. Also nahm ich zuerst meinen Sohn Cosmo mit zur Bergstation und meine Tochter Avery spielte mit der Oma im Dorf als ein paar Runden „Tschau Sepp“. Cosmo kriegte wie Papi einen Helm verpasst und schon schossen wir im Überschall-Tempo talwärts. Mein Sohnemann stand vorne auf dem Trittbrett und klammerte sich mit seinen kleinen Händen an der Querverstrebung des Lenkers fest. In seinem Gesicht fand sich keine Spur von Angst. Im Gegenteil, es konnte dem Kleinen nicht schnell genug gehen. Von einem anderen Familienvater kassierte ich für die Schussfahrt ein Augen verdrehen, garniert mit einem saftigen Kopfschütteln. Pustekuchen! Wir hatten mächtigen Spass und diesen Vater-Sohn-Moment kann ich allen anderen Papis wärmstens empfehlen. Einziger Wermutstropfen war das Durchqueren der über Nacht etwas eingewässerten Kuhtränke. Da vermischte sich nämlich eine Hand voll Kuhfladen mit Regenwasser und was dann passiert, wenn man Full-Speed durch die Suppe brettert, muss ich ihnen ja wohl nicht genauer erläutern. Als „Team Sommersprosse“ fuhren wir aber unbeirrt weiter Richtung Talstation, gaben uns Fünf und krakeelten „An Tagen wie diesen...!“ von den Toten Hosen.

Mit meiner Tochter war die Geschichte etwas anders. Eine kleine Nebelschwade zu Beginn der Fahrt verdarb ihr sofort die Lust. Das Quietschen der Scheibenbremsen tat ihr weh in den Ohren und bei jeder Kurve bewegte sie ihren kleinen Körper in die entgegengesetzte Richtung, was uns ein, sagen wir mal, eher spezielles Kurvenerlebnis bescherte. Bei der Kuhfladen-Stelle ersparte ich mir panisches Gekreische, indem ich auf Schrittempo drosselte. Aber schliesslich kamen wir heil unten an, was mehr war als man erwarten durfte. „Ich liebe dich, meine kleine Drama-Queen“, säuselte ich in des Töchterchens Ohr und schnappte mir sogleich ihren kleinen Bruder, um nochmals vom Berg ins Tal zu bolzen. Diesmal mussten wir jedoch ein paar Stopps einlegen, um unsere durchgeschüttelten Greiferchen auszuspannen. Wieder in der Talstation und somit im Restaurant Flaschen angelangt, gabs für die Kinder und die Oma ein Sinalco und für mich ein kühles Panache – das bald zum Frappe mutierte, für welches Hopfen und Malz verloren war.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen