Freitag, 24. Januar 2014

Midi kommt ins Rudern


Als ich um 05.30h zum Fenster rausschaute, sah ich starken Schneefall. Verdammt. Es war der 1. April. ‚Ist das etwa Petrus’ Art, mich zu verarschen?’, dachte ich erst. Doch die Flocken waren echt. Ein Sauwetter, wie es der Kachelmann in seiner momentan miesesten Laune nicht schlechter hätte voraussagen können.

Was zieht man bloss zum Rudern an, wenn’s draussen schneit wie Anton vom Tirol? Nie hätte ich gedacht, mich mal mit diesem abartigen Gedanken herumschlagen zu müssen. Wer geht schon frühmorgens auf den Zürisee zum Rudern, wenn gerade die Eiszeit ausbricht? Ich natürlich...!

Also zog ich mal alle meine alten Bikeklamotten an, die ich finden konnte, schwang mich mit tiefer Moral im Gepäck aufs Velo und fuhr über die feuchtkaltdunkle Seepromenade zum Ruderklub Zürich. Ich war schon ziemlich durchnässt, als mich Heike Dynio, meine Instruktorin, mit einem kurzen, „Woll’n wer’s verschieben?“, begrüsste. „Nein, ich zieh das jetzt durch!“, kams über meine unterkühlten Lippen. Heike lächelte, als hätte sie mich nur testen wollen.

Heike ist der Typ Frau von der Sorte „Ich-mach-hier-mal-kurz-beim-Junglecamp-mit-und-esse-diese-verdammten-Känguru-Eier-wie-Smarties“ - wenn Sie wissen was ich meine. Mit einem markanten Ostdeutschen Akzent, sie kommt aus Dresden, erklärte sie mir, wie ich sauber zu rudern habe. Und glauben sie mir; wenn Heike erklärt, wie das hier läuft, dann kapiert man das besser in kürzester Zeit, denn irgend etwas sagt einem, dass die Konsequenzen nicht angenehm sein würden. Also ruderte ich mit all meiner zur Verfügung stehenden Konzentration an diesem lächerlichen Ruderdummie in der Bootshalle.

Als ich den Dreh mit dem Abkippen des Ruders und dem Durchstrecken der Arme und dem Arsch-nach-vorn-Schiebens (Heikes Wortwahl) endlich raus hatte, kamen tatsächlich 3 ruderwillige Seemänner durch die Tür. Draussen hudelte es weisse Katzen, aber die kamen hier an, als wär’s das Normalste der Welt. Skeptisch beobachteten sie den „Neuen“, der ihnen den Morgen vielleicht doch noch verderben könnte. Auch meine Entschuldigung, dass ich ein Kolumnist vom „FIT for LIFE“ bin, liess sie nicht gleich in Freudentränen ausbrechen. Tja, wir sassen eben alle im gleichen Boot, doch jenes musste zuerst noch gewassert werden.

Beim Rudern packen alle mit an, doch ich griff oft daneben, als es darum ging, den Vierer nach Draussen zu tragen und auf zwei Stützen startklar zu machen. Heike gab in dieser verschneiten Morgendämmerung die Anweisungen mit einer Autorität, die Captain Ahab zum Heulen gebrachte hätte und ich versuchte, mich in die eingespielte Truppe so gut wie möglich einzugliedern, kam aber eher rüber wie Jerry Lewis in Doktor Schiwago.

Endlich war der Vierer im Wasser und ich verschraubte mit klammen Fingern die leichten Carbon-Ruder am Rumpf. Einen Fuss nach dem Anderen stieg ich unter Heikes Aufsicht vorsichtig ins Boot und zurrte meine Füsse mit zwei Riemen fest. Während die anderen einstiegen, schaukelte es doch ein wenig und ich malte mir schon aus wie es wohl wäre, kopfüber mit fixierten Füssen im eiskalten Wasser etwas um mein Leben zu kämpfen. Aber soweit kam’s gottlob nicht.

Ich sass zuvorderst im Boot, dann die drei Mitruderer und zuletzt Heike, die uns am Ruder den Rhythmus vorgab. Jetzt kam die harte Schule von vorhin am Ruderdummie zum Tragen. Hätte mir Heike die Technik nicht so deutlich eingetrichtert, wären wir wohl nicht weit gekommen. Ich versuchte stets im gleichen Flow der anderen zu sein. Ruder drehen, mit dem ganzen Körper nach vorn, Ruder zurückdrehen, auf Kommando von Heike die Beine strecken und dann erst die Arme anziehen. Beim kleinsten Fehler korrigierte mich Heike lautstark. „Nicht grapschen!“, war ihr häufigster Ausruf. Damit meinte sie, ich solle mich beim Griff um den Ruderhals nicht verkrampfen. Aber sie sagte es, als hätte sie soeben Carl Hirschmann im Mädchenpensionat erwischt. Sie sah den kleinsten Fehler. Jetzt erkannte ich Heikes Klasse und war stolz auf jeden Ruderschlag ohne Korrektur.

In meiner Konzentration bemerkte ich gar nicht, dass wir schon auf der Limmat waren. Inmitten der Zürcher Rush-hour machten wir eine Kehrtwendung und ruderten wieder zurück ins Seebecken. Da kam schon fast Idylle auf. Auf der Rückfahrt verbesserte sich offensichtlich meine Technik, denn Heike korrigierte mich nur noch selten. Als ich sie an Land, vom Kuhnagel geplagt, darauf ansprach, antwortete sie charmant: „Ach weißt du Midi, ich hab’s einfach irgendwann aufgegeben.“ 

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