Die Fit for Life Redaktion schickte mich diesmal
endgültig in die Folterkammer. Ein CardioEx Test stand an. Da ich den Begriff
CardioEx noch nie gehört hatte, steigerte ich mich in alle möglichen
Spekulationen. Als fleissiger Grey’s Anatomy-Konsument weiss ich, dass „Cardio“
für „Herz“ steht und „Ex“ so was wie „raus“ heisst. Also: „Herz raus Test“. Na
bravo! Wer bitte, soll das denn überleben?!
Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend wartete ich
mit meiner Tochter Avery an der Hand im Gebäude 17 der Uni Irchel. Avery wurde
kurzfristig als Ferienersatz für den Karikaturisten gebucht, der sonst meine
Kolumnen illustriert. Kreative Problemlösungen kann man Andi Gonseth, dem
Chefredaktor von Fit for Life, wirklich nicht absprechen. Lorenz Leuthold von
exersciences nahm uns freundlich in Empfang und zeigte mir, wo ich mich
umziehen kann. In den Räumen der Uni roch es nach Wissenschaft. Während ich
wieder einmal meine veralteten Biker-Klamotten überzog meinte Avery: „Hihi
Papi, in diesen engen Hosen siehst du von hinten aus wie eine Frau.“ Ich
konterte: „Ach ja? Hast du schon mal eine Frau mit solchen Lovehandles
gesehen?“ „Nein.“ „Eben.“ „Was sind Lovehandles?“ „Das erklär ich dir später –
viel später.“ Ich drückte ihr das Malzeug in die Hand und wir gingen ins
Versuchslabor zu Lorenz.
Er hatte für Avery ein kleines Pult neben dem
Fahrrad-Dummie platziert. Mein kleines Töchterchen sass jetzt wie ein kleiner
Scharfrichter neben dem Schafott und brachte ihre Farbstifte in Stellung. Lorenz
befestigte einen Pulsmesser an meiner Brust und ich wartete auf das
Verbindungskabel. Aber hey, Verbindungskabel war gestern – genau wie ich. Heute
geht ja alles über die Luft und genau diese sollte mir bei diesem CardioEx
irgendwann ausgehen, denn dies war nicht irgendein Belastungstest, sondern eine
Messung bis zu meiner persönlichen Leistungsgrenze. „In die Pedalen treten bis
es dich verbläst“, war die genaue Anordnung von Lorenz. Mir wurde langsam klar,
dass ich hier nicht ohne körperliche Schmerzen rauskommen würde. Und meine
6-jährige Tochter sollte das alles auch noch mit ihren bescheidenen malerischen
Fähigkeiten festhalten. Wieso hatte ich bloss das Gefühl, hier den schlechteren
Job gefasst zu haben?
Nachdem wir den Sattel adjustiert und Lorenz mir eine
Gummimaske, welche meine Nase abdichtete, aufsetzte, war es mir nur noch
möglich, durch den Mund ein- und auszuatmen. Vier Schläuche führten von meinem
Mundstück in irgendeine Maschine, welche meinem Atem wichtige Informationen
über mich entnehmen sollte. Im Stillen hoffte ich, dass „chronischer
Mundgeruch“ keine der möglichen
Diagnosen sein würde. Aber einfacher Mundgeruch sollte sich bald als nichtiges
Problemchen herausstellen, denn jetzt ging’s darum, bei einer Leistung von 75
Watt eine Drehkadenz von 70-80 U/Min. zu halten. Avery versuchte noch etwas
lustig zu sein und höhnte: „Aber schön anstrengen Papi, gell. Hihi...!“ Ich
feixte zurück: „Jeder macht das, was er am schlechtesten kann, du kleine
Ratte.“ Aber mit der Schlauch-Maske im Gesicht kam da halt nur ein
„Uhuuhahuuuuhuaschhuuu...!“, raus. Avery verdrehte die Augen und begann zu
zeichnen. Lorenz wies mich an, nicht zu sprechen, da dies die Auswertung der
Atmungsdaten beeinträchtigen würde. Ich verstand: Maul halten und pedalieren.
Zu Beginn lief alles noch ganz leicht, aber beim
CardioEx wird die geforderte Wattleistung alle zwei Minuten um 25 Einheiten
erhöht und dabei durfte ich die Kadenz nicht unter 70 sinken lassen. So
lauteten die Spielregeln und ich begann wie hypnotisiert auf die Anzeige am
Lenker zu starren. Mein alter Ehrgeiz mobilisierte sich und liess mich ganz
konzentriert atmen, damit ich einen Rhythmus finden konnte. Alle zwei Minuten
wurde mir am Ohrläppchen ein Tropfen Blut entnommen, um in meinen Laktatwerten
festzustellen, dass ich, sportlich gesehen, eine Flasche bin.
Ich begann plötzlich fürchterlich zu schwitzen. Lorenz
war so nett und wischte meine speckige Stirn sauber und spornte mich an, weiter
zu pedalieren. Nach zwei Minuten bei 225 Watt wollte ich aufgeben, rettete mich
aber über die 250er Grenze und stampfte noch weitere zwei Minuten auf diesem
Niveau. Bei 275 Watt war Schluss. Nach einer Dusche begutachtete ich Averys
Kunstwerk. „Hihi Papi, siehst aus wie ein Elefant.“, witzelte sie. Und genau so
fühlte ich mich auch. Lorenz schaute in den Compi und eröffnete mir
Überraschendes.
Gentechnisch gesehen sei mein Talent Ausdauersport zu
betreiben HOCH. Hoch!? Hallo? Und wenn das jetzt noch jemand meinen Lovehandles
beibringen könnte, wäre ich ein glücklicher Mann.
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