Irgendwie habe ich das Gefühl, der
Fit for Life Redaktion wäre es, seis aus Gründen möglichen Personalabbaus,
allmählich recht, wenn ich eines meiner sportlichen Abenteuer nicht überleben
würde. Diesmal schickten sie mich nämlich ins Turmspringen. INS
TURMSPRINGEN...! Alle, die meine Kolumne über den Schwimmuntericht vor etwa 2
Jahren gelesen haben, wissen, Wasser ist nicht, ich betone NICHT, mein Element.
Und jetzt sollte ich aus höchster Höhe (habe ich schon erwähnt, dass ich nicht
schwindelfrei bin?) in ein 6 Meter tiefes Becken (habe ich schon erwähnt, dass
tiefes Wasser unter meinen Füssen meine Grundangst vor Seemonster nährt?)
springen und mich im panischen Hyperventilations-Hundeschwumm wieder an Land retten.
Resultat: 3 mal Todesangst innert 5 Sekunden. Gratuliere Redaktion, neuer
Rekord. Aber eben – ich war alt und brauchte das Geld.
Am Stichtag ass ich ganz viel
Spinat, denn Spinat verursacht bei mir innert Kürze enorme Blähungen Davon
versprach ich mir den nötigen Auftrieb, der hier möglicherweise über Leben und
Tod entscheiden würde. Jeden Mittwoch um 20 Uhr trifft sich ein wilder Haufen
von Sprungakrobaten im Hallenbad Oerlikon zur gemeinsamen Flugstunde. Bei
sommerlichen Temperaturen fuhr ich mit dem Velo vor und wankte verschwitzt und widerwillig
ins Hallenbad. 26 Grad im Schatten und ich geh ins Hallenbad. Super. Mit einem
flauen erster-Schultag-Gefühl im Bauch zog ich meine Surferbadehose an und ging
unter die Dusche. Jetzt stand ich nass und verloren im riesigen Hallenbad – und
mir war kalt. Super. Und zudem war just an diesem Datum Welt-Kuss-Tag. Nur, wer
würde mich in diesem erbärmlichen Zustand noch küssen wollen? Der Beckenrand
womöglich.
Die Sprungtürme im hinteren Bereich
ragten wie Wolkenkratzer empor. Plötzlich sah ich wie ein kleiner Junge, ca.
12jährig, auf den 7,5 Meter Turm stieg und dort oben etwas rumlungerte. „Mein
Gott, wem gehört bloss dieser Junge? Sieht denn Keiner, dass dort oben ein Kind
rumturnt?“, dachte mein besorgtes Vaterherz. Ich war offensichtlich der Einzige
im Hallenbad, der alarmiert wirkte. Plötzlich stand der Kleine, Rücken Richtung
zum Sprungbecken, an der Turmkante und machte einen gestreckten Rückwärts-Salto
samt sauberem Eintauch-Zischgeräusch. Mir lief der Hintern auf Grundeis. Wenn
die Kleinen hier schon solche Dinger machen, was würden sie denn von mir
erwarten?
„Hallo, mein Name ist Midi und suche
die Mirjam.“, stellte ich mich schüchtern dem Grüppchen unter den Sprungtürmen vor. „Das bin ich.“,
sagte eine grossgewachsene Brünette mit einem
Ich-weiss-mein-Kleiner-du-machst-dir-hier-fast-in-die-Hosen-aber-es-kommt-schon-alles-wieder-gut-Lächeln
im Gesicht. Ich warnte Mirjam davor, dass ich im Schwimmen eine Niete sei und
sie meinte schelmisch, man müsse hier gar nicht schwimmen können. Haha, sehr
lustig. Beim Einturnen auf einer Mattenbahn, musste ich gleich einen Run von
drei Purzelbäumen hintereinander hinlegen. Danach war mir schwindlig. Verlegen
lächelte ich mein Getorkel weg und machte darauf ein paar
Rückwärts-Purzelbäume. Danach gings wieder mit dem Schwindel. Darauf wurde ein
Rückwärts-Purzelbaum mit etwas Schwung und anschliessender Kerze welche in
einem Kopfstand endete von mir verlangt. Und siehe da, ich schaffte es nach 3
Versuchen. Die Gruppe staunte und mein Selbstvertrauen wuchs um ein paar
Zentimeter.
Anschliessend zeigte mir Mirjam auf
einem riesigen Trampolin, wie man einen korrekten Absprung macht. Rechtes Bein
Schritt nach vorn, Sprungbein anwinkeln, Arme acapulcomässig gestreckt nach
aussen und dann mit einer schwungvollen Aufwärtsbewegung abspringen. Nachdem
ich diesen Bewegungsablauf etwas verinnerlicht hatte, schickte Mirjam mich in
die Fluten. Nicht von einem Turm und auch nicht von einem Sprungbrett sollte
ich springen, nein, vom Beckenrand musste ich mittels dieser neuen
Sprungtechnik in Wasser hüpfen. Wenn man das richtig macht, taucht man
kerzengerade ins Wasser und wenn man das macht, schiesst einem Chlorwasser in
die Birne und wenn das passiert, dann atmet man reflexmässig aus und dann merkt
man, dass es bis zur Wasseroberfläche noch 4 Meter sind und man keine Luft mehr
hat. Kurz: Mit „man“ meine ich mich und ich ertrank schon fast bevor ich auch
nur Ansatzweise von einem Sprungbrettchen gesprungen bin. Super, läuft doch
prima.
Nachdem ich etwas um mein Leben
gekämpft hatte, was zum Glück ausser Gott und mir niemand bemerkte, machte ich
das Selbe vom 1 Meter Brett, danach vom 3 Meter Brett und dann vom 5 Meter
Turm. Mirjam gab mir immer wieder kleine Korrekturen und brauchte häufig den
Ausdruck „Naturtalent“. Aber irgendwie fühlte es sich nicht so an. Mehr
schlecht als recht durchlief ich die ganze Serie mit dem Köpfler und um mich
herum sprangen Menschen im Ravensburgeralter (8-88) in allen möglichen
Flip-Flop-Salto-Piruetten ins Wasser. Als Schluss-Bouquet forderte Mirjam mich
auf vom 7,5 Meter Turm zu springen. Meine weibliche Intuition sagte mir, dass
das nicht gut kommen würde. Ich hätte hier auch schreiben können: Mein
Angstschweiss sammelte sich in der Dammgegend, aber das klingt einfach nicht so
schön. Fazit ist: In meinem Alter macht man halt einfach nicht mehr alles was
die Leute einem sagen. Aber danke für alles Mirjam, das „Naturtalent“ hat
zuviel Spinat gegessen und muss jetzt abdampfen.
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