„CrossFit ist wie Ritalin für
Erwachsene.“, meinte mein Leidensgenosse Brian in der Garderobe als er sich
sein Stirnband über den Kopf stülpte. Wie recht er doch haben sollte. Wenn alle
Menschen CrossFit machen würden, gäbs keine Kriege dort draussen, denn mit
einem solch gestiefelten Muskelkater, wie ich ihn in dieser umgebauten Garage
an der Hohlstrasse 417 kassiert habe, geht kein Mensch mehr aufs Schlachtfeld.
Keiner.
Ich platzierte meine Trinkflasche
und mein Fogal-Frottetuch in einer Ecke und stand bereit um eine gehörige
Tracht Prügel einzustecken. Wenn man das Wort „CrossFit“ googelt, sieht man da
unzählige Clips, in denen sich durchtrainierte Marines durch fiese Übungen quälen.
Ich bin weder ein Marine noch durchtrainiert aber habe einen Ehrgeiz wie
Nachbars Lumpi. Ein verhängnisvolles Gemisch, wie sich später herausstellen
sollte. Aus dem Lautsprecher dröhnte lauter Latin Hip Hop und gab mir das
Gefühl in einer gemeinen Mukibude in
South Central, Los Angeles zu sein. Moritz, unser Coach, forderte uns
drei „Rekruten“ auf, uns warm zu machen. Fabian setzte sich auf eine
Rudermaschine, Brian begann sich zu dehnen und ich nahm ein Springseil und
machte einen auf Rocky Balboa. Nach kurzer Zeit, war ich ausser Puste und
krebste reumütig zu allgemein bekannten Dehnungsübungen zurück. Nach fünf
Minuten waren wir alle warm genug fürs Warm-up, welches aus 4 Übungen bestand. 20
Mountain-Climbers, 10 Push-ups mit Rotation, 20 Hüftübungen mit Kettlebells und
je 20 einbeinige Squads bei denen man sich jeweils, mit einem Bein gestreckt,
auf eine Bank setzt und wieder hoch pusht. Davon machten wir 3 Durchläufe. Hier
kam ich schon massiv an meine Leistungsgrenze. Mein Ehrgeiz liess es jedoch
nicht zu aufzugeben. Nur bei den einbeinigen Squads musste ich meinen Stolz
begraben und mich jeweils von der Bank abstossen um wieder hochzukommen. Moritz
nahms mit besorgter Miene zur Kenntnis.
Völlig ausser Atem flüchtete ich
nach dem dritten Durchgang Richtung Trinkflasche. Wie ein geschlagener Hund
schielte ich, gierig trinkend, zur Tafel auf der die Exercises notiert waren.
Ich verstand nur Bahnhof aber vielleicht war das auch besser so. Moritz kam,
süffisant lächelnd, auf mich zu und stichelte: „Und das war erst das Warm-up.“
Sehr lustig. Zu Beginn habe ich noch geschmunzelt als ich den „Pukie“, den
obligaten Brecheimer, der in jeder CrossFit-Bude steht, gesehen habe. Aber
jetzt, machte ich mir ernsthaft Sorgen, ihn tatsächlich in Anspruch nehmen zu
müssen.
Doch jetzt gings erst richtig los. Die
erste von zwei 11-minütigen Foltereinheiten stand auf dem Programm. Burpees und
Ball Slams. Bei einem Burpee lässt man sich vorwärts auf den Boden fallen und
schnellt dann wieder in die aufrechte Position um dort einen
Hampelmann-Klatscher über dem Kopf zu machen. Nach 10 Wiederholungen mussten
wir einen Medizinball (25 Pfund) bis über den Kopf hochheben und mit Wucht auf
den Boden zurückwerfen. Von diesen Ball Slams galt es 75 „abzuarbeiten“. Dafür
hatten wir 11 Minuten Zeit. Die Krux war aber, dass wir nach genau einer Minute
das Ballslaming unterbrechen mussten um erneut 10 Burpees zu absolvieren.
Danach hatte man für den Rest der Minute wieder Zeit um die restlichen Ball
Slams zu tilgen. Was soll ich sagen? Nach der ersten Minute vergass mein Hirn unter
Sauerstoffmangel die Ball Slams zu zählen und ich passte mich einfach ungefähr
Brians Rhythmus an, welchen ich aus dem Augenwinkel schemenhaft noch zu
erkennen glaubte. Nachdem Brian durch war, zischte ich mit dem letzten Quentchen
Luft, welches mir noch zur Verfügung stand: „Moritz. Ich ha vergesse z’zelle!“
Moritz meinte schmunzelnd, ich könne aufhören, denn er wusste ja, was noch kam
und verschonte mich vor dem drohenden Herzstillstand.
Völlig fertig frottierte ich mir mit
meinem peinlichen Fogal-Tuch die Stirn. „Himmel, was mache ich hier bloss!“,
schoss es durch meinen pulsierende Rübe. Meine Kinder brauchen mich doch noch.
Hätte ich vor dem CrossFit einen Bissen runtergebracht, wäre er spätestens
jetzt im Puckie gelandet. Und schon gings weiter mit den zweiten 11 Minuten. Diesmal,
Sit-ups und Thrusters. Bei einem Thruster nimmt man zwei Hanteln, in meinem
Fall je 10 Pfund (Fabian stemmte einen 25 Pfund Sack), winkelt die Arme an und
geht so in die Hocke. Dann kommt man wieder hoch und drückt die Arme hoch bis
sie gestreckt sind. 50 Thrusters (75 für Fabian) in 11 Minuten, jeweils wieder
nach einer Minute unterbrochen durch 10 Sit-ups. Diesmal konzentrierte ich mich
besser mit dem zählen und behielt die Übersicht. Ich brauchte immer mehr Zeit
für die Sit-ups. In der ersten Minute schaffte ich noch 10 Thrusters, in der
zweiten nur noch 5 und in der dritten noch 3. Sie sehen, wo das Problem liegt.
Bei den letzten Thrusters stemmte ich die kleinen Hanteln hoch als wären es
riesige Gewichte.
Um es kurz zu machen: Ich habe das
CrossFit überlebt. Aber wie? Ich konnte danach kaum laufen. Als ich zittrig ins
Tram stieg, bot mir eine Frau mitleidig ihren Sitzplatz an – und ich nahm
dankend an.
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