Freitag, 24. Januar 2014

Midi im Spinning-Kino


Die Nacht legte sich feucht und kalt übers Zürcher Seefeld. Ich streifte mit meinem Velo durch die Gegend, auf der Suche nach diesem mysteriösen Spinning-Kino. Im Untergeschoss eines modernen Bürohauses wurde ich schliesslich fündig. Sofort wurde ich von Martin und Michael herzlich in Empfang genommen und in die gute Stube geführt. Drinnen, emsiges Treiben. Etwa dreissig waschechte Gümmeler in der Vorbereitungsphase fürs grosse Rennen gegen grosse Helden auf Grossleinwand. Im unteren Bereich „fuhr“ man mit dem eigenen Bike und oben befand sich ein Reihe mit Schwinn-Spinning-Maschinen. Über einer kleinen Bar hingen ein paar farbige Scheinwerfer, welche eine gewisse Fetzkeller-Romantik verströmten. Nur wird hier nicht zu „Careless Whisper“ geschlossen getanzt, sondern hier wird zu harten Techno-Beats zum Feld aufgeschlossen.

Ich pellte mich aus meinen Winterklamotten und erstrahlte im Maillot Jaune, das ich heute um jeden Preis vereidigen wollte. Frei von Bescheidenheit, pflanzte ich mich in die Mitte des Peletons und klickte meine Pearl Izumis in die Pedalen und machte mich warm. Die beiden Gastgeber Martin und Michael versicherten sich bei jedem Teilnehmer persönlich ob alles beim Rechten ist. Danach hielten sie vor versammelter Tret-Schar eine kurze Ansprache mit Motivationscharakter. Gezeigt wurde der Film „Angels“ von der Produkitonsfirma „The Sufferfest“ mit dem schnuckeligen Firmenmotto „I will beat my ass today to kick yours tomorrow“. Nach soviel Rustikalprosa gepanscht mit etwas Fort-Knox-Rethorik, konnte ich es kaum erwarten anzutreten gegen die Grossen des Radrennsports.

Als Erstes stand ein 7-minütiges Warm-up auf dem Programm. Wir pedalierten zu „Feel The Groove Let Ya Body Move“ von Groove Generator durch eine sehenswerte Landschaft in San Diego. Auf der rechten Seite der Leinwand wurde jeweils der empfohlene Belastungsgrad zwischen 1 und 10 eingeblendet. Wenn 1 für „Bubi-Einfach“ steht, bedeutet 8 „Ich bete zu jedem Gott, der mir gerade in den Sinn kommt, dass das hier endlich aufhören möge“ und 10 „Lieber hacke ich mir die Beine ab bevor ich noch eine Sekunde länger diese Schmerzen aushalten muss“.

Ich cruiste also mit Belastungsgrad 4 durch San Diego und genoss die Aussicht.  Die folgenden 10 Minuten bolzten wir im Windschatten einer Gruppe auf einer offenen Rennbahn. Jeweils eine Minute über der aneroben Schwelle (wo immer die bei mir momentan auch sein mag) und eine Minute darunter. Intervall-Training mit dem Hintern eines „Total Strangers“ im Gesicht. Süss...! Danach gabs 3 Minuten laufen lassen. Und wieder rollten wir durch eine schöne Landschaft. Doch dann folgte der erste von drei 8-minütigen Up-Hills. Wir kriegten die Aufgabe an Andy Schleck dranzubleiben während er einen Aufstieg bei Liege-Bastogne-Liege raufwuchtete. Mit gleicher Kadenz wie Schleck und einer Belastung von 6 Punkten, wehrten wir Angriff um Angriff ab um später selber anzugreifen. Und das ganze 8 Minuten lang. Wahrlich kein (Achtung Wortspielerei!) Zuckerschlecken

Zur Belohnung gabs eine 4-minütige Fahrt durch eine Berglandschaft mit Postkartenqualität. Doch der Berg rief und wir machten uns daran, den Col d’Eze in Paris-Nizza zu bezwingen. Hier gings darum, im Sattel zu bleiben, während Vöckler, Contador und Sanchez langsam aber sicher die Kadenz erhöhten um so die Angreifenden in Schach zu halten. Zwischen 6-8 Belastungspunkten wuchteten wir den Berg hoch. Im richtigen Leben fehlte es mir sichtlich an Fahrtwind was meine Stirn zum glänzen brachte. Im Spinning-Kino war die Temperatur eher frisch doch um so schöner war dann der Moment als Michael und Martin auf dem Col d’Eze heissen Tee mit Guetzli servierten. Ich hatte an diesem Stresstag noch fast nichts gegessen und deshalb sah ich die Beiden in meinem Hungerast-Wahn als liebliche Elfen.

Nach diesen himmlischen 4 Minuten Quality-Time stopfte ich noch zwei Guetzli rein und machte mich bereit für die Alpe d’Huez. Im Film peitschten sie uns mit Floskeln wie „Hey, zieht endlich eure Röckchen aus und bleibt an Contador dran“ oder „Das hier ist nicht dein übergewichtiger Trainings-Buddy, das hier ist Alberto Contador“. Und Alberto knallte uns eine Attacke nach der anderen um die Ohren. Ich schraubte an meiner Gangschaltung hin und her und versuchte zum geforderten Belastungsgrad (ging diesmal bis 10) in der selben Kadenz wie Contador zu bleiben. Die treibende Technomusik versetzte mich in einen transzendalen Zustand. Vielleicht war es auch nur die Höhenluft. Der Schweiss lief runter, ich fuhr hoch und litt mit Alberto bis ins Ziel. Das Maillot Jaune souverän verteidigt, machte ich mich daran, die letzten 4 Minuten auszufahren. Danach trank ich mit wackligen Beinen noch etwas Tee an der Bar und fachsimpelte mit dem Rest des Peletons was das Zeug hielt. Schön wars – aber beim nächsten Mal bringt doch bitte etwas Windschatten mit in die Bude.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen