Die Nacht legte sich feucht und kalt
übers Zürcher Seefeld. Ich streifte mit meinem Velo durch die Gegend, auf der
Suche nach diesem mysteriösen Spinning-Kino. Im Untergeschoss eines modernen
Bürohauses wurde ich schliesslich fündig. Sofort wurde ich von Martin und
Michael herzlich in Empfang genommen und in die gute Stube geführt. Drinnen,
emsiges Treiben. Etwa dreissig waschechte Gümmeler in der Vorbereitungsphase
fürs grosse Rennen gegen grosse Helden auf Grossleinwand. Im unteren Bereich „fuhr“
man mit dem eigenen Bike und oben befand sich ein Reihe mit
Schwinn-Spinning-Maschinen. Über einer kleinen Bar hingen ein paar farbige
Scheinwerfer, welche eine gewisse Fetzkeller-Romantik verströmten. Nur wird
hier nicht zu „Careless Whisper“ geschlossen getanzt, sondern hier wird zu harten
Techno-Beats zum Feld aufgeschlossen.
Ich pellte mich aus meinen
Winterklamotten und erstrahlte im Maillot Jaune, das ich heute um jeden Preis vereidigen
wollte. Frei von Bescheidenheit, pflanzte ich mich in die Mitte des Peletons
und klickte meine Pearl Izumis in die Pedalen und machte mich warm. Die beiden
Gastgeber Martin und Michael versicherten sich bei jedem Teilnehmer persönlich
ob alles beim Rechten ist. Danach hielten sie vor versammelter Tret-Schar eine
kurze Ansprache mit Motivationscharakter. Gezeigt wurde der Film „Angels“ von
der Produkitonsfirma „The Sufferfest“ mit dem schnuckeligen Firmenmotto „I will
beat my ass today to kick yours tomorrow“. Nach soviel Rustikalprosa gepanscht
mit etwas Fort-Knox-Rethorik, konnte ich es kaum erwarten anzutreten gegen die
Grossen des Radrennsports.
Als Erstes stand ein 7-minütiges
Warm-up auf dem Programm. Wir pedalierten zu „Feel The Groove Let Ya Body Move“ von
Groove Generator durch eine sehenswerte Landschaft in San Diego. Auf der rechten Seite
der Leinwand wurde jeweils der empfohlene Belastungsgrad zwischen 1 und 10
eingeblendet. Wenn 1 für „Bubi-Einfach“ steht, bedeutet 8 „Ich bete zu jedem
Gott, der mir gerade in den Sinn kommt, dass das hier endlich aufhören möge“
und 10 „Lieber hacke ich mir die Beine ab bevor ich noch eine Sekunde länger
diese Schmerzen aushalten muss“.
Ich
cruiste also mit Belastungsgrad 4 durch San Diego und genoss die Aussicht. Die folgenden 10 Minuten bolzten wir im
Windschatten einer Gruppe auf einer offenen Rennbahn. Jeweils eine Minute über
der aneroben Schwelle (wo immer die bei mir momentan auch sein mag) und eine
Minute darunter. Intervall-Training mit dem Hintern eines „Total Strangers“ im
Gesicht. Süss...! Danach gabs 3 Minuten laufen lassen. Und wieder rollten wir
durch eine schöne Landschaft. Doch dann folgte der erste von drei 8-minütigen
Up-Hills. Wir kriegten die Aufgabe an Andy Schleck dranzubleiben während er
einen Aufstieg bei Liege-Bastogne-Liege raufwuchtete. Mit gleicher Kadenz wie
Schleck und einer Belastung von 6 Punkten, wehrten wir Angriff um Angriff ab um
später selber anzugreifen. Und das ganze 8 Minuten lang. Wahrlich kein (Achtung
Wortspielerei!) Zuckerschlecken
Zur Belohnung gabs eine 4-minütige
Fahrt durch eine Berglandschaft mit Postkartenqualität. Doch der Berg rief und
wir machten uns daran, den Col d’Eze in Paris-Nizza zu bezwingen. Hier gings
darum, im Sattel zu bleiben, während Vöckler, Contador und Sanchez langsam aber
sicher die Kadenz erhöhten um so die Angreifenden in Schach zu halten. Zwischen
6-8 Belastungspunkten wuchteten wir den Berg hoch. Im richtigen Leben fehlte es
mir sichtlich an Fahrtwind was meine Stirn zum glänzen brachte. Im
Spinning-Kino war die Temperatur eher frisch doch um so schöner war dann der
Moment als Michael und Martin auf dem Col d’Eze heissen Tee mit Guetzli
servierten. Ich hatte an diesem Stresstag noch fast nichts gegessen und deshalb
sah ich die Beiden in meinem Hungerast-Wahn als liebliche Elfen.
Nach diesen himmlischen 4 Minuten
Quality-Time stopfte ich noch zwei Guetzli rein und machte mich bereit für die
Alpe d’Huez. Im Film peitschten sie uns mit Floskeln wie „Hey, zieht endlich
eure Röckchen aus und bleibt an Contador dran“ oder „Das hier ist nicht dein
übergewichtiger Trainings-Buddy, das hier ist Alberto Contador“. Und Alberto
knallte uns eine Attacke nach der anderen um die Ohren. Ich schraubte an meiner
Gangschaltung hin und her und versuchte zum geforderten Belastungsgrad (ging diesmal
bis 10) in der selben Kadenz wie Contador zu bleiben. Die treibende Technomusik
versetzte mich in einen transzendalen Zustand. Vielleicht war es auch nur die
Höhenluft. Der Schweiss lief runter, ich fuhr hoch und litt mit Alberto bis ins
Ziel. Das Maillot Jaune souverän verteidigt, machte ich mich daran, die letzten
4 Minuten auszufahren. Danach trank ich mit wackligen Beinen noch etwas Tee an
der Bar und fachsimpelte mit dem Rest des Peletons was das Zeug hielt. Schön
wars – aber beim nächsten Mal bringt doch bitte etwas Windschatten mit in die
Bude.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen