Die Vögel zwitscherten als ich am
Bahnhof Nottwil eintraf. Für einen
Stadtzürcher ist das schon eine hohe Dosis Idylle die da einem entgegenkommt.
Aber ich nahm’s gerne an. Im Paraplegikerzentrum kam Pia Schmid mit dem
Rollstuhl auf mich zu und
begrüsste mich herzlich. Irgendwie hatte ich mir dieses Zentrum etwas spitaliger
vorgestellt, statt dessen sieht’s hier eher aus wie in einer riesigen, modernen
Turnhalle. Pia ist Tetraplegikerin, arbeitet hier als Laborantin und trainiert in der Freizeit mit dem
Handbike und just auf diesem Gerät würde ich heute mit ihr zusammen ein paar
Runden drehen.
Als Erstes muss man natürlich mal in
so ein Handbike reinsitzen - was für einen Schussel wie mich offenbar eine grosse
Herausforderung darstellte. Als ich es endlich geschafft hatte Platz zu nehmen,
waren meine weissen Shorts und meine Knie mit Karrenschmiere der Antriebskette
bekleckert. Wieso dachte ich bloss, weisse Freizeit-Shorts anzuziehen sei eine gute
Idee, wenn man eine Ausfahrt mit einem Bike macht, dessen Antrieb sich in
unmittelbarer Nähe der Sitzfläche befindet? Doch das Schwierigste kam erst. Wir
befanden uns im Fahrzeugpark des Zentrums und jetzt ging’s darum, das Bike aus
dem Gebäude zu zirkeln. Bei diesem Go-Kart-ähnlichen Gefährt hat man ja einen
viel geringeren Einschlag als bei einem normalen Velo. Also war ich gezwungen
vor und zurück zu fahren. Doch beim rückwärtsfahren dreht die Kurbel natürlich
mit. Meine O-Beine wurden unsanft auseinander gedrückt und blockierten jegliche
weitere Fortbewegung. Weder hin noch zurück war möglich. Na bravo! Mühsam
musste ich nun meine Beine seitlich aus dieser Umklammerung befreien um
aussteigen zu können und das Bike in die ursprünglich gewünschten Richtung zu
stellen. Pia wartete geduldig bis ich fertig war mit meiner kleinen Clownnummer.
„Wen haben sie mir denn da geschickt?“, wird sie vielleicht gedacht haben. Na,
den Stuntman von kult.ch eben.
Als wir endlich draussen waren
versuchte ich mich mit der Tatsache abzufinden, dass Bremse und Gangschaltung
nicht am Lenker selbst, sondern etwas weiter vorne am Rahmen befestigt waren.
Beim Schalten oder Bremsen musste man also immer aufpassen, dass man sich nicht
in die Finger kurbelt. Bis jetzt war das Ganze hier eher ein Intelligenztest
als ein Sport. Doch der Sport liess nicht lange auf sich warten. Schnell wurde
mir klar, dass mein „Aufbautraining“ mit durchschnittlich zehn Liegestützen in
der Woche deutlich zu wenig Grundlage war um ein Handbike ohne Muskelschmerzen
antreiben zu können. Und dabei war Pia zu Beginn noch human, was das Tempo
anging. Dafür war ich ihr dankbar, denn ich hatte meine liebe Mühe mit kurbeln.
Es stellte sich nämlich heraus, dass meine weit geschnittenen Cargo-Pants nicht
nur farblich ein Fehlgriff waren. Immer wieder verhedderte sich die Kurbel in
meinen Seitentaschen was nur durch starkes zusammenpressen der Beine verhindert
werden konnte. Muskelkrampf ahoi!
Als ich den Dreh endlich raus hatte,
machte es richtig Spass mit Pia bei diesem Postkartenwetter am Sempachersee
entlang zu cruisen. Wir plauderten und scherzten und bei der hawaiianisch
angehauchten Flaniermeile kam bei mir schon fast so was wie Ferienstimmung auf
– wäre da nicht dieser fiese Anstieg gewesen. Die Party war vorbei. Kurbelnd
und runterschaltend murkste ich schnaubend mein Handbike den Berg hoch während
Pia locker neben mir her fuhr und weiterplauderte. Und hier wurde mir erst klar
welch enorme Kraft Pia mit den, ihr noch zur Verfügung stehenden aktiven
Muskeln, mobilisieren konnte. Paradoxerweise verkrampfte ich mich an diesem
Uphill nicht nur in der Brustmuskulatur sondern auch im Gesäss und den Beinen. Vielleicht
war das ein Reflex weil ich ja sonst beim bergauffahren die Beine einsetzen
muss. Wie auch immer, ich war froh oben anzukommen und wir traversierten rüber
auf die Höhe des Paraplegikerzentrums wo’s dann in den Downhill überging.
Pia fuhr voraus und das war gut so,
denn ich, als mutiger Downhiller, hätte mich wohl in den Kurven im Tempo
verschätzt, denn anders als beim Velo kann man mit dem Handbike nicht in die
Kurven liegen. Aber dieses Seifenkisten-Feeling machte einfach Spass und so
forderte ich Pia auf gleich noch eine Runde zu machen – und danach machten wir
noch eine. Schliesslich legten wir immerhin fast 10 Kilometer zurück und als
ich im Zentrum wieder aus dem Gerät stieg, merkte ich erst wie sehr ich mich
verausgabte. Pia lächelte nur als ich rumächzte wie ein alter Mann. Tja,
jammern ist eben meine Paradedisziplin und ihre ist es offensichtlich nicht und
davor habe ich seit diesem Tag den grössten Respekt.
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