Freitag, 24. Januar 2014

Midi en garde


Im unteren Teil der doppelstöckigen Turnhalle Tanneg in Baden absolvierten eine Hand voll Golden Girls ein Altersturnen. Wehmütig schaute ich ihnen einen Augenblick lang zu. Wieso schickt mich die Redaktion nie ins Altersturnen? Da wäre ich im Nu der Platzhirsch. Aber nein, sie schickten mich einen Stock höher, ins Fechten. Wie anstrengend.

Oben angekommen drückte mir Mac Huber von der FfL-Redaktion seine Teenager-Söhne Collin und Lance, die hier jede Woche ins Fechten gehen, aufs Auge. Es war Macs Idee mich hier von jungen Leuten aufspiessen zu lassen. Noch bevor ich Mac, für die originelle Idee, meinen Handschuh ins Gesicht werfen konnte, machte der sich schon aus dem Staub. Hatte wohl ein schlechtes Gewissen. Wie die drei Musketiere betrat ich mit den Jungs die Turnhalle. Andi und Tamas, die Fecht-Instruktoren, begrüssten uns mit kräftigem Händedruck. Offensichtlich hat die Jugend von Baden schwer was mit Fechten am Hut, denn von den geschätzten 25 Teilnehmer/Innen war ich mit Abstand der Älteste in der „Klasse“.

Um uns aufzuwärmen sollten wir etwas Fussball spielen. In der Mitte der Halle wurden zwei Tore Rücken an Rücken aufgestellt und Andi bestimmte zwei Girls, die abwechslungsweise ihre Teammitglieder wählten. Wie lange war es wohl her, dass ich hoffte nicht als Letzter gewählt zu werden? Äh, etwa 30 Jahre? Himmel, ich bin Antik. Einer der Damen zeigte Herz und wählte mich frühzeitig in ihr Team. Wir spielten mit einem Gymnastik-Ball auf die kleinen Tore. Schwierig aber spassig. Doch der Spass sollte bald vorbei sein, denn Tamas unterzog uns einem Drill.

Erst gab’s zahlreiche Sprints von Wand zu Wand. Dann stellten wir uns alle in einer Linie auf. Trockenübungen waren angesagt. In der Bandbreite von „en garde“ bis zum fiesen Zustech-Ausfallschritt musste die Klasse verschiedene Befehle befolgen und zwar in zunehmender Kadenz. Volle Konzentration war gefragt. Plötzlich zeigte der wilde Haufen Disziplin. Ich war stetig leicht überfordert aber anders als beim Zumba, gelang es mir hier die Würde zu bewahren. Als Zückerchen machten wir die ganze Drill-Chose nochmal – aber diesmal mit einem Fecht-Handschuh auf dem Kopf balancierend. Wem der Handschuh runterfiel, musste reumütig zur Linie zurück. Ich konzentrierte mir einen Wolf und der Handschuh blieb auf meinem Haupte. Ha!

Danach machte sich der Rest zum Duell bereit. Nur ich kam in den Genuss, bei Grossmeister Andi einen persönlichen Crash-Kurs absolvieren zu dürfen. Ich bekam eine stichfeste Weste umgeschnallt und lernte, die drei verschiedenen Waffen, Degen, Schwert und Florett kennen. Ich entschied mich fürs Florett. Andi forderte mich dazu auf mit dem Florett auf seinen Körper einzustechen. Ich hatte ernsthafte Skrupel auf einen Leib, obwohl gepanzert, einzustechen, doch als ich merkte, dass nichts passieren kann, piekste ich munter drauf los. Andi zeigte mir hilfreiche Tricks, wie man einem Angriff ausweicht oder einen selbigen ausführt und zusticht. Wenn man mit einer Waffe hantiert, ist der Körper, obwohls nur Sport ist, in stetiger Alarmbereitschaft. Schliesslich ging’s hier mal um Leben oder Tod. Ähnlich wie die Schurken in den Musketier-Filmen, hatte Andi ein stetiges Schmunzeln auf dem Gesicht. Er grinste mich förmlich nieder und stiess dann blitzschnell zu. Zum Glück befanden wir uns nicht im Mittelalter. Ich wäre sonst 17 mal aufgespiesst worden.

Die 90 Minuten verflogen im Nu. Nassgeschwitzt von den vielen konstruierten Duellsituationen wähnte ich mich wieder im 21sten Jahrhundert und somit in Sicherheit. Da forderte Tamas mich auf, ein Duell mit Lance zu machen. Und zwar an der elektrischen Leine, mit Treffer-Lämpchen und so. Tja, wenn ich schon mal die Chance kriege einen Teenager abzustechen ohne dafür in den Knast zu wandern. Wieso nicht?

Also wurde ich verkabelt, setzte die Fechtmaske auf und stand en Garde bereit. Lance strahlte eine natürliche Siegeskraft aus. Den alten Knacker würde er doch locker wegpieksen, dachte er wohl. Doch er hatte die Rechnung ohne seinen fiesen Miesepeter-Bruder Collin gemacht. Der zog nämlich vor dem Duell unbemerkt des Bruders Stecker zum Kontroll-Lämpchen. Der arme Lance durchbohrte mich etliche Male doch kein Lämpchen ging auf. Ich stand da wie der Highlander, unsterblich, in voller Pracht. Lance verstand die Welt nicht mehr. Als er den Streich seines Bruders bemerkte und den Kasten wieder eingesteckt hatte, war er durch den Hinterhalt so verdattert, dass er schlussendlich 5 : 2 gegen mich Greenhorn verlor. Welch Schmach doch Lance würde es, wie ich diesen Fecht-Crash-Kurs, überleben. Pieks...!

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