Es war eine eindrückliche
Szenerie als ich mit meinen Kindern, Avery (9) und Cosmo (6), die Milandia
Kletterhalle in Schwerzenbach betrat. Überall riesige, farbige Wände, gespickt
mit griffigen Ausbuchtungen. Offenen Mundes standen die Kids da, sprachlos. Ein
Bild mit Seltenheitscharakter. Wir tauschten unsere Turnschuhe mit
Kletterschuhen und wurden von den Instruktorinnen Susanne und Alexandra zusammen
mit anderen MuKi- oder VaKi-Kombinationen zum Familien-Kletter-Crash-Kurs
begrüsst. Nachdem sich jeder kurz vorgestellt hatte, führten uns Susanne und
Alexandra ohne grosses Theorie-Palaver zu einer sogenannten Boulder-Wand. Die
war superbreit, dafür aber nicht hoch. Ein prima Einstieg.
Als Warm-Up kletterten alle
Kids die Boulder-Wand von rechts und die Erwachsenen starteten von links.
Unweigerlich musste jeder jeden kreuzen. Dabei mussten sich die Grossen ganz
gross und die Kleinen ganz klein machen. Danach war der erste Kletterdrang mal
befriedig so, dass Susanne und Alexandra es wagten uns etwas Theorie
aufzubrummen. Mittels einem Sicherungsgerät, ironisch ATC (Air Traffic
Controller) genannt, einem Karabiner und einem „Gschtältli“ (Klettergurt)
lernten wir, wie man das Kind mit einem Top-Rope sichert. Danach schlüpfte
jeder in einen Klettergurt. Die Kinder fanden es lustig, da sie das Gefühl noch
von den Windeln her kannten. Ich fühlte mich mit dem Teil im Schritt eher an
einen Hosenlupf am Schwingerfest erinnert. An einem Trainings-Gerüst konnten
wir den Ernstfall üben, ohne bei einem Missgriff gleich ein Kind auf dem Gewissen
haben zu müssen.
Doch dann war fertig lustig
und wir machten uns das erste Mal daran, eine Wand, die bis unter die
Hallendecke ging, zu erzwingen. Ich schlaufte das ATC wie gelernt ein,
befestigte es mit dem Karabiner am Klettergurt und Cosmo machte seinen
Karabiner mit den kleinen Händen am Seilende fest. Fertig war die Seilschaft. Alexandra
überwachte alles mit Argusaugen und gab mir das Go. Wehmütig liess ich den
Kleinen in die Wand. Ich hatte grosse Mühe das Seil straff zu halten, denn mein
Sohn kletterte wie ein geschorener Affe nach Oben. Je höher er kletterte, je
mehr wurde mir bewusst, dass sein Leben jetzt in meinen Händen lag. Solange ich
das Seil nach unten drückte war alles gesichert aber in diesem kurzen Moment
des Umgreifens, war mir immer etwas flau zumute. Als Cosmo oben ankam, schien
er noch kleiner als er eh schon war. Aber keine Spur von Angst im Gesicht.
Gekonnt lehnte er sich nach Hinten und liess sich von mir wieder abseilen.
Stolz umarmte ich meinen Mini-Messmer und schickte meine Tochter hoch.
Auch sie schlug sich mit
Bravour. Mit ihren langen Armen und Beinen krabbelte sie rauf wie ein Spinne. Nostalgisch
quitschte ich: „Hach Kinder, ihr habt doch gerade erst laufen gelernt!“ Dann
schlug Susanne vor, dass ich doch mal einen Versuch wagen soll. Ich schluckte
leer, quittierte mit einem gequälten Lächeln und liess mich von ihr sichern.
Auf halber Höhe überkam mich die Höhenangst. Obwohl ich wusste, dass ich nicht
runterfallen kann, sträubte sich alles in mir höher zu gehen. Doch meine Kinder
standen unten. Ich wollte den Heldenstatus, den ich mir über die Jahre erarbeitet
habe, nicht verlieren. Also stieg ich wie Luis Trenker in seinen besten Jahren
zur Bergspitze. Die Höhe, gefühlte 20 Meter, kribbelte gewaltig im Schritt. Das
Kribbeln wurde jedoch vom festen Griff des Klettergurts jäh im Zaum gehalten.
Als ich wieder unten ankam feierte mein Körper ein kleines Endorphin-Flash. Mit
aufgepumpten Popeye-Unterarmen high-fivte ich meine Kids.
Während den folgenden
Kletterattacken von Avery und Cosmo, liessen uns die wachsamen Instruktorinnen
nicht aus den Augen und schlugen uns, dem Niveau entsprechende Wände vor. Bei
einer überhängenden Wand scheiterten jedoch beide Kids und ich musste sie das
erste Mal richtig sichern und „retten“. Susanne meinte darauf, dass Papi mal
die rote Wand für Erwachsene machen sollte. Eine Wand, die von Beginn an
überhängend war. Zwei mal leer geschluckt, hechtete ich wie Sly Stallone in
„Cliffhanger“ hoch. Ich wollte es hinter mich bringen bevor das höllische Kribbeln
im Schritt wieder überhand nahm. Und schon war ich OBEN. Ha! Ein Klacks! Hoch
lebe das Adrenalin. Als ich wieder festen Boden unter den Füssen hatte, stellte
Susanne jene Frage, die mich für den Rest der Woche fünf Zentimeter über dem
Boden schweben liess: „Du machst bestimmt irgendwie Krafttraining, stimmts?“
Hach, welch lieblich Klang diese gut gemeinten Worte doch hatten. Ich antwortete
verlegen: „Nein, nein, ich mache nur einmal im Monat etwas Verrücktes fürs kult
aber das dafür schon seit zehn Jahren.“
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