Und weiter geht’s in der Serie von Sportmomenten
welche bei mir einen plötzlichen Kreislaufkollaps auslösen könnten. Diesmal
meldete ich mich zum KKL-Lauf 2009 an. Sie denken jetzt sicher, wie ich zuerst
auch, ans idyllische Luzern. Doch dieses „KKL“ steht für Kernkraftwerk
Leibstadt und hat mit Idylle etwa soviel zu tun, wie Jute mit Plastik.
Als wäre es für meinen runtergewirtschafteten Körper
noch nicht genug schmerzhaft sieben Kilometer zu rennen, wurde direkt neben der
Rundstrecke auch noch ein Kernkraftwerk gebaut. Oder war das KKL zuerst da? Das
Huhn oder das Ei. Was war zuerst?. Wie auch immer, der KKL-Lauf wird von den
netten Leuten des KKL-Informationszentrums organisiert. Wohl um die
Berühungängste der Bevölkerung etwas abzubauen.
Ich hatte von Beginn an keine Angst vor irgend einem
brach liegenden Brennstab, den die Putzequippe versehntlich zurückgelassen
hatte. Viel mehr fürchtete ich die sieben Kilometer Schmerz, die noch vor mir
lagen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal sieben Kilometer
am Stück gerannt bin. Rennen ist wie Schwimmen, einfach nicht mein Ding. Aber
wenn ich recht überlege; Was ist eigentlich mein Ding?
Da es, trotz eines AKWs unmittlebarer Nähe, ziemlich
kalt war, trug ich einen Faserpelz. Doch ein älterer Herr warnte mich vor einem
Hitzestau. Ich schaute mich um und tatsächlich waren alle ohne Jacke oder
Faserpelz am Start. So viel zu meinem Fachwissen über diesen Sport. Ein
„wulliger Siech“ startete sogar mit kurzen Hosen und oben ohne. Seine massive
Körperbehaarung sprach aus praktischer Sicht für diesen seltsamen (Hallo, wir
haben November!) Dresscode, doch in visueller Hinsicht, erinnerte mich sein
Rücken an einen Teppichhändler, der immer ein Muster seiner Ware als Umhang
dabei hat. Er gibt dem Claim „Pelz tragen, Gewissensfrage“ einen neuen Sinn.
Mein Staunen ob dieser Skurrilität wurde jäh
unterbrochen – vom Startschuss! Päng, und los gings. Die Anzahl der Teilnehmer,
hielt sich in Grenzen, was dem Ganzen Lauf etwas Familiäres gab, was aber auch
ein Abtauchen in die Anonymität unmöglich machte. Die Strecke führte über
verschiende Äcker mit
dem markanten Kühlturm in der Skyline. Doch die Aussicht war mir bald egal,
denn ich war zu schnell in die erste von drei Runden gestartet und schmeckte
Blut im Gaumen. Also war ich gezwungen in der zweiten Runde mich von drei
Frauen überholen zu lassen, was für einen Soft-macho wie mich mit einem
gepflegten Minderwertigkeitskomplex hart zu verdauen ist.
Irgendwie war ich plötzlich von lauter Frauen umgeben,
denn die Anfeuerungs-Zurufe aus dem Publikum beinhalteten nur noch weibliche Namen wie Martha oder Vreni.
Anfangs steckte ich mir noch das Ziel, im Mittelfeld durchs Ziel zu gehen, doch
jetzt beschränkten sich meine Ansprüche aufs nicht-von-der-Spitze-überholt-werden.
Die letzte Dame, die mich durchreichte, lief erst eine
Weile hinter mir. Ich hörte nur ihren kürzeren Tritt, was meinen Rhythmus
erheblich durcheinander brachte. In der Angst, es könnte der Teppichhändler
sein, konnte ich ich überwinden hinter mich zu blicken. Doch dann musste ich
nachgeben und wurde von einer Dame in einem grünen Baumwoll-Shirt überholt.
Nein, nein, nein...! Nichts in Baumwolle sollte schneller sein als ich, denn
Baumwolle steht für Freizeitsport und Frau steht für das eigentlich „schwächere
Geschlecht“.
Das war zuviel für mich. Also sammelte ich alle meine
Kräfte und vereinte sie mit der ohnehin schon anwesenden erhöhten
Radioaktivität und gab Guzzi. Kurz vor dem Ziel liess ich die Baumwolle hinter
mir und schleppte mich mit einem doppelten Wadenkrampf über die Ziellinie.
Eine Boullion später entschied ich mich doch noch
etwas weiter zu leben. Ich kam zum Schluss, dass das einzig Lebensgefährliche
an einem AKW, die Rundstrecke davor ist.
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