Freitag, 24. Januar 2014

Midi tanzt den Zumba


Egal wie griesgrämig man gerade drauf ist, nach zehn Minuten Zumba, geht einem im Herzen die Sonne auf. Achtung, fertig, Zumba und schon tanzt man mit dreissig anderen Frauen mit viel Hüftwunder dem Sonnenuntergang im imaginären Club Med entgegen, obwohl es nur eine bitterkalte Dezembernacht in einem Altersheim-Aktionsraum in Zürich-Hottingen ist. Könnte mich mal bitte jemand ins Füdli chlüben, denn ich habe das Gefühl, ich träume. (Autsch!) Doch nein, es ist war. Ich stehe hier tatsächlich zwischen vielen leicht bekleideten Damen welche sich synchron im Takt der Musik durch verschiedene Choreos bewegen und liebevoll darüber hinwegsehen, dass ich ein absoluter Fremdkörper bin. Denn ja, etwas stimmt hier nicht. Himmel! Ich bin tatsächlich eine begeisterte Zumba-Tante, gefangen in einem Männerkörper. Wie zur Hölle konnte das geschehen?

Wie immer, hatte ich absolut keine Lust mich körperlich irgendwie anzustrengen, geschweige denn, schwierigen Zumba-Schrittfolgen zu folgen. Ich denke, sie können mir folgen. Wie immer, wenn das Fallbeil für die nächste Folter einer anstehenden Fit-for-Life-Kolumne niedersaust, werde ich, und das sollte dieses Mal nicht anders sein, zur fleischgewordenen Unlust. Wenn Unlust Leute wäre, wäre ich China. Okay? Okay. Aber eben, sie würden diese Zeilen hier nicht lesen können, hätte ich mich nicht einmal mehr dazu überwunden, dem inneren Schweinehund eine reinzuhauen. Doch es tat, wie immer, grässlich weh.

Um Punkt 21Uhr stand ich brav zwischen etwa dreissig Frauen und fügte mich der Gewalt der Gezeiten. Herrin der Gezeiten war Nancy Staub, ein unscheinbares Energiebündel, welches innert Sekunden zur bösen, drahtigen Zumba-Kampfmaschine mutieren konnte. Wäre die gute Nancy nicht im fünften Monat schwanger gewesen, hätte ich eine prima Erklärung dafür gehabt, ihrem Pace nicht folgen zu können. Aber eben, sie war im fünften Monat schwanger – und ich nicht. Sie war eine Frau und ich nicht. Sie konnte Zumba und ich nicht.

Üblicherweise würde ich ungefähr an dieser Stelle meiner Kolumne mit der Aufzählung beginnen, was ich in meinen jeweiligen sportlichen Abenteuern so an Übungen durchgepowert habe. Aber so stark ich mich auch konzentriere, mir kommt einfach nichts mehr in den Sinn von all dem, was ich in diesen 60 Minuten Zumba gemacht habe. Oder soll ich besser sagen, nachgemacht habe? Oder soll ich besser sagen, versuchte nachzumachen? Von der ersten Minute an war nämlich mein, schon von Natur aus unterdurchschnittlich ausgestattetes Bewegungszentrum meines Gehirns, überfordert mit der Aufgabe alle Schrittkombinationen korrekt nachzustolpern. Stetig war ich eine Nanosekunde im Hintertreffen, was in meiner Birne einen „Constant Error“ auslöste. Dazu prasselten auf meine Ohrmuscheln dezibelgeschwängerte Afro-Rhythmen ein, welche meine Konzentration fürs Wesentliche zusätzlich verringerten um nicht zu sagen pulverisierten. Und die Tatsache, dass sich in jedem möglichen Blickfeld (ich stand in der Mitte des Raumes) tanzende Frauen befanden, liess mein einfaches Männergemüt etwa auf den Intellekt eines aufgeschäumten Ackergauls schrumpfen, der zur Befruchtung bereit steht. Kein schönes Bild. Gebe ich zu. Aber die Karikatur von Swen bringt die Situation so ziemlich auf den Punkt.

Aber, und jetzt kommt das Bemerkenswerte, egal wie benommen und lendentaumlig ich mich durch die Zumba-Choreos kämpfte und dabei meine Menschenwürde haufenweise ins eigene Grab schaufelte, je länger ich das tat, je glücklicher wurde ich. Ja, sie haben richtig gehört. Zumba macht glücklich. Nicht Geld, Gold oder Geiz, nein Zumba. Es muss irgend etwas mit den sich stetig wiederholenden Bewegungsabläufen zu tun haben. Da entstand dieses wohlige Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach jeder Tanzsalve gab’s eine kurze Verschnaufpause mit eingebautem Applaus, den wir uns selber schenkten. Danach ging’s gleich weiter mit einem neuen Musikstück und weiteren Tänzchen, wie früher in der Disco, einfach nüchtern - und älter.  Aber denken sie jetzt nicht, Zumba sei nicht anstrengend. Boah! Es ist anstrengend, fragen sie meine Lunge. Ich möchte ja nicht wissen, wie ich leiden würde, wenn Nancy mal nicht im fünften Monat schwanger die Stunde gibt, denn, ich Gegenteil zur ihr, setzten bei mir frühzeitige Wehen ein. Doch es war ein guter Schmerz, der sowieso laufend von meinen Endorphinen egalisiert wurde. Erst am nächsten Morgen als mein, eh schon steifes Becken, von einem bösen Muskelkater glasiert wurde, merkte ich, was ich meinem Körper angetan hatte. 

Mit den Kindern auf dem Vita Parcours


Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, mit meinen Kindern auf einen Vita Parcours zu gehen. Aber für kreative Vorschläge, um meine sportliche „Freizeit“ totzuschlagen, ist ja die „hilfreiche“ Redaktion von Fit for Life zuständig. Also packte ich meine beiden Kinder Cosmo (4) und Avery (7), Sie sehen, ich war zumindest bei der Namensgebung der Kids kreativ, ins Auto und brachte sie zum Sportplatz Fluntern, vis-à-vis vom Zürcher Zoo. Im Internet fand ich heraus, dass sich dort oben der kürzeste Vita Parcours von Zürich befand, nämlich nur gerade mal 2,2 Kilometer lang. Das sollten die zwei armen, von einer einwöchigen Grippe geschwächten Kleinsportler doch noch schaffen. Dank einer Portion Dafalgan-Sirup war das ausklingende Fieber im Nu gebannt und aus zwei toten Fliegen wurden innert einer halben Stunde zwei drahtige, böse Vita-Parcours-Bonzais.

Wir drei trugen unsere Sportklamotten und Cosmo bestand darauf, seinen Winnie Pooh mit auf den Parcours zu nehmen. Tja, was immer den Jungen vom Schreien abhält ist für mich okay. Wir teilten noch eine Banane, um den fiesen Hungerast fernzuhalten und machten uns dann guten Mutes auf den Weg zum ersten Posten. Dort dehnten wir uns mal deftig, genau so wies die Tafel von uns verlangte und so, wie wir es aus dem TV-Spot kennen, in dem ein Mann seinen Porsche über die Klippen schiebt. Die Sonne schien und die Moral der Truppe war hoch. Lachend kamen wir beim zweiten Posten an. Verschiedene Beweglichkeitsübungen standen an. Bei der Fussschaukel und den Hüpfübungen hatten die Kleinen Spass, doch beim parallelen Armschwingen in grossen Achterschlaufen bestand plötzlich grosse Gefahr, dass sie sich gegenseitig die Milchzähne aus den Kindsköpfen schlagen. Also brach ich die Übung ab und wir gingen weiter. Avery rannte wie von der Tarantel gestochen zur nächsten Tafel. Cosmo und ich joggten locker hinterher.

Froschhüpfen übers Rundholz war angesagt. Das konnten die beiden Kängurus natürlich sehr gut. Dann aber fiel Winnie Pooh auf den Waldboden und wurde etwas schmutzig. Cosmos Partylaune drohte zu kippen. Erst als ich ihm versicherte, dass wir bei jedem Stopp einen sicheren Platz für Winnie Pooh suchen, erhellte sich sein Gemüt wieder. Und weiter gings durch den schönen Frühlingswald. Avery war als Erste bei den Reckstangen. Ich platzierte Winnie Pooh, hängte die Kinder an die Stange und wartete unten darauf, dass sie wie Fallobst wieder in meine Arme fallen. Dies wiederholten wir ein paar Mal, dann war ich dran. Nach 3 1/2 Klimmzügen war die Vorstellung beendet. Zu Hause schaffe ich aber mindestens 7! Ich gab meinen schweren Turnschuhen die Schuld. Den Kindern kann man ja alles erzählen.

Averys Schritt wurde jetzt schwerer und auch Cosmo lahmte etwas. Bei Posten 5 gings wieder um Beweglichkeit. Für den Hohlrücken-Rundrücken konnte ich die Kids noch begeistern, weil das die Kätzchen auch machen, wenn sie morgens aufstehen, aber für die anderen Übungen fielen mir keine Metaphern mehr ein und prompt kam Cosmos Reaktion: „Du Papi, ich wett jetzt wieder Hei.“ Die Jugend von heute hat einfach kein Durchhaltevermögen mehr. Als ich ihm sagte, dass das nicht geht, ging die Quengelei los. Jedes Wort wurde nun stossweise betont: „Ich! mag! aber! nüme! laufe!“ Er begann mit den Beinchen zu stampfen (dafür hatte er natürlich noch Energie), was meistens der Vorläufer eines ausgedehnten Tobsuchtsanfalls ist. Schnell bot ich ihm an, dass er zu jedem zweiten Posten Huckepack auf mir reiten darf. Überraschenderweise willigte er ein. Es lebe die Diplomatie.

Wir galoppierten eine Station weiter zu den Ringen. Dran hängend mussten wir die Beine anziehen. Die Kinder machten das prima, nur bei mir zitterte etwas der Käse über dem Tessinerbrötchen. Nur nichts anmerken lassen, denn Papi ist ja der Grösste und Stärkste. Eins weiter wartete der Barren auf uns. Avery kennt das Gerät aus der Turnstunde und machte die Stütz- und Schwingübungen gut mit. Cosmo musste aussetzen, denn die beiden Holme waren zu weit auseinander für den Kleinen. Aber dafür durfte er jetzt ja wieder auf seinem Gaul reiten. Langsam ging die Huckepack-Geschichte in die Beine. Von Averys Sprinter-Euphorie war auch nichts mehr übrig. Sie lief jetzt nur noch von Posten zu Posten, was für mich mit meinen knapp 20 Kilo „Übergewicht“ auf dem Rücken voll okay war. Wir steppten, stemmten und hüpften uns durch die Posten 8, 9 und 10. Die Strecke ging nur noch bergauf und Avery fand es jetzt gar nicht mehr lustig. Sie weigerte sich strikt weitere Übungen zu machen. Ich drohte ihr damit, ausführlich über ihre „Befehlsverweigerung“ in meiner Kolumne zu berichten. Zähneknirschend machte sie weiter. Gut zu wissen, dass neu „öffentliches Blossstellen“ als Druckmittel bei ihr funktioniert. Ha!

Cosmo hatte jetzt gar keine Lust mehr auf Sport und suchte stattdessen Regenwürmer, welche er uns unter die Nase hielt. Während ich Cosmo, Winnie Pooh und einen Regenwurm eine lange Treppe hochschleppte und meiner Tochter laufend mit öffentlicher Schande drohte, erreichten wir schliesslich die letzten paar Posten. Der Sportsgeist der Kinder erwachte wieder und ehrgeizig balancierten sie über das Zick-Zack-Holz und liefen im Slalom dem Ziel entgegen. Der Einzige, der bei diesem Vita Parcours so richtig ins Schwitzen kam war ich – aber das war ja wohl auch die Absicht der „lieben“ Redaktion.

Midi überlebt das UWR


Alle Leser dieser Kolumne wissen, wenn ich das Wort „Wassersport“ nur schon höre, kriege ich Schnappatmung. Dann können sie sich wohl vorstellen, was das Wort „Unterwasserrugby“ bei mir ausgelöst hat. Richtig: Panik, garniert mit weibischen Schreisalven.

Melchior, Marcel und Niels, die das UWR-Training im Hallenbad Oerlikon leiteten, kümmerten sich wirklich rührend um mich. Als erstes kriegte ich eine verschnürbare Badekappe mit eingebautem Ohrenschutz, einen Schnorchel und Flossen. Melchior meinte, ich solle diese ABC-Ausrüstung die ganze Zeit über anbehalten, damit ich mich daran gewöhne. Okay...? Ich schaute mich um und sah, dass mittlerweile alle diese ABC-Masken aufhatten und machte mit. Melchior schickte mich ins Nass zum Einschwimmen. Nachdem ich zwei Längen abgerissen hatte, zeigte mir Melchior (Oder war es Marcel?) wie man sich unter Wasser am besten fortbewegt. Mit diesen ABC-Ausrüstung sahen im Wasser plötzlich alle gleich aus und ich war so überfordert mit der stark eingeschränkten Sicht, dass ich phasenweise nicht mehr wusste, wer mir gerade Anweisungen gab.

Wenn man unter Wasser richtig Speed aufbauen will, muss man sich wie ein Delfin bewegen. Die Arme gehen gestreckt nach vorne und so lässt man die Welle durch den Köper nach hinten zucken und fertig ist der Fleisch-Torpedo. Nach ein paar Korrekturen klappte diese Delfin-Technik auch bei mir ganz okay. Ich profitierte von meiner Fähigkeit, für längere Zeit die Luft anhalten zu können. Das war aber auch wirklich das einzige Talent, das ich mitbrachte. Dank zeitweiligem Orientierungsverlust, prallte ich auf der Schwimmbahn immer wieder in andere Trainings-Teilnehmer und mauserte mich so allmählich, sie haben’s bereits geahnt, zum Klassendepp.

Melchior (oder war es Niels?) stellte mir endlich denjenigen vor, der beim UWR die Hauptrolle spielt: den Ball. Er war rot, handlich und mit Salzwasser gefüllt – damit er sinkt. Im Einschwimm-Becken hatte ich die Möglichkeit ein paar Pässe zu „stossen“. Das fühlte sich ein wenig an wie Kugelstossen, einfach mit mehr Wasser und deutlich weniger Luft zum atmen. Gerade als bei mir etwas Party-Laune aufzukeimen drohte, kam Melchior oder Marcel mit der Hiobsbotschaft. Er offenbarte mir ganz beiläufig, dass wir nachher ins Sprungbecken wechseln werden und sich das Tor beim UWR auf einer Tiefe von 5, ich wiederhole 5, in Worten FÜNF Metern befindet. Mein Hintern lief langsam auf Grundeis und eine spontane Schnappatmungs-Attacke überkam meinen aufgeweichten Körper.

Marcel (Oder war es doch Melchior oder gar Niels?) führte mich schon mal zum Einzel-Crash-Kurs ins Sprungbecken. Während er damit beschäftigt war, die Tore am Grund des Beckens festzuschrauben, versuchte ich in alter Big-Blue-Manier runterzutauchen. Doch ein stechender Schmerz in der Stirngegend hielt mich davon ab. Melchior oder Niels gab mir den Rat, mit geschlossener Nase mal so richtig durchzupusten und nochmals runterzugehen. Danach ging’s einigermassen, schmerzte aber immer noch genug um als Spassbremse zu fungieren.

Die dreizehn 12 anderen Schwimmer stiessen dazu und wurden von Niels oder Marcel in zwei Mannschaften aufgeteilt. Ich war der Joker bei den weissen Badekappen. Beim Tschau Sepp ist der „Joker“ einer, der alles kann. Beim UWR ist der Joker einer, der nix kann und als zusätzlicher Spieler einem Team aufs Auge gedrückt wird. Nachdem Marcel, oder vielleicht auch Melchior, unsere Mannschaft auf das Spiel eingeschworen hatte, ging’s los.

Alle Beteiligten schwammen wie wild Richtung Ball, der sich in der Mitte auf dem Beckengrund befand. Ich holte tief Luft und stürzte mich mutig ins Getümmel. Da Unten ging’s zu und her wie in einem Piranha-Becken. Plötzlich bekam ich von Niels oder Melchior oder meiner Grossmutter einen Pass und hielt das erste und letzte Mal in diesem Spiel den Ball in meinen schrumpligen Fingern. Innert Sekunden spürte ich tausend Hände, Füsse und alles was dazugehört auf mir. Kurz danach war der Spuck schon wieder vorbei, denn die Meute hatte was sie von mir wollte, den Ball. Sie liessen mich verdattert und atemlos zurück. Die ABC-Ausrüstung stand mir schräg im Gesicht und ich wusste nicht mehr wo Oben und Unten ist. Als ich an der Oberfläche endlich wieder zu Luft kam war mir klar, dass ich mit dem restlichen Verlauf des Spiels nichts mehr zu tun haben werde.

Die Anderen schwammen da unten wie Delphine herum. Mit brachialem Durchsetzungsvermögen versuchten sie den Ball in den Korb zu zwängen. Wenn der Ball mal frei wurde, setzte ich halbherzig zu einem Alibi-Tauchgang an. Doch auf dem Weg nach Unten war er schon wieder weg. Ich war einfach zu langsam und mein Kopf fühlte sich an wie die U96 kurz vor dem Bersten. Also verharrte ich für den Rest des  Spiels in zunehmender Schockstarre an der Oberfläche. Ich war die „Costa Concordia“ der schweizerischen Wassersports. Aber grossen Applaus an Melchior, Marcel und Niels für den Versuch aus einem Weichei eine harte Nuss zu machen.





Im Maillot Jaune auf dem Stromer


Endlich gab mir die Redaktion mal ein Zückerchen. Ich sollte mit einem Stromer das linke Zürichseeufer unsicher machen, bis der Akku leer ist. Das klingt doch nach einer Aufgabe, der sogar ein trainingsfauler Sack wie ich, gewachsen ist.

Der Stromer ist meiner Meinung nach das stylischste Elektrobike auf dem Markt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen E-Bikes fehlt beim Stromer das verräterische „Kästchen“ mit dem Strom drin. Die Power befindet sich beim Stromer nämlich im Unterrohr des Rahmens und lässt ihn deshalb eher wie ein etwas wuchtig gebautes Mountain-Bike erscheinen. Perfekte Tarnung also. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Gallus, ein alter Bekannter und Freund der Redaktion zeigte Herz und stellte grosszügigerweise seinen Stromer für diesen Testlauf zur Verfügung. Nach einer kurzen Einführungs-Speech übergab er mir das magische Teil. Ich war schon ganz kribbelig vor Vorfreude. So muss sich wohl ein Profi-Rennfahrer fühlen, nachdem er seinen ersten Liter Eigenblut aus dem Kühlschrank geholt hat.

Passend zum Event trug ich ein Maillot Jaune um auf der Schaut-mal-wie-gut-ich-in-Form-bin-Rennstrecke neben dem Zürichsee ganz klar den Tarif durchzugeben. Denn heute würde ich hier mit Bestimmtheit auf keinen ebenbürtigen Gegner treffen – es sei denn Fabian Cancellara trainiert zufälligerweise gerade Heute in der Gegend und zerstört meinen grossen Auftritt hier. Das Display zeigte den Begriff „Economy“ an. Ich konnte also mit einer sanften Unterstützung des Stromers rechnen. Vorsichtig trat ich in die Pedalen, denn dies war mein erstes Mal auf einem E-Bike und da bringt man doch eine Portion Respekt mit. Und da war sie auch schon, diese unsichtbare Hand, die mich anschob und mir ein spontanes Jauchzen entlockte. Aber hey, schön cool bleiben, wir wollen uns ja nicht zu stark exponieren und damit berechtigte Dopingvorwürfe provozieren. Also begab ich mich mal ganz sachte und unauffällig auf die Seestrasse und rollte, halbe Kraft voraus, Richtung Horgen davon.

Auf der geraden Strecke vor mir ortete ich Nichts ahnende Opfer, die vor sich hinradelten. Ohne Mühe war ich innert kurzer Zeit mit 35 km/h unterwegs. Mein Gehirn schaltete in den „konstant-Freude-empfind-Modus“. Ich switchte die Kraft-Quelle von „Economy“ zu „Power“ und gab den Pedalen alle mobilisierbaren Oberschenkel-Watt zu fressen. Juchheissa, ging das ab! Diese horende Beschleunigung war der Hammer. Als hätte King Kong gerade hinter mir niessen müssen. Ich bretterte mit 50 Sachen über die Strasse und reichte diese armen Seestrassengümmeler so was von durch, dass die wohl für den Rest ihres Lebens erkältet sein werden. Mein Gehirn schaltete jetzt in den Da-hauts-dir-dä-Sack-id-Wüeschti-Modus. Dieser unglaubliche Speed liess mich so irrwitzig grinsen wie Jack Nicholson als er in „The Shining“ seinen Kopf durch die eingeschlagene Tür steckte. „Here’s Midi...!“

Aber trotz des erhöhten Fun-Faktors musste ich höllisch aufpassen keinen Unfall zu bauen. Denn alle Autos, welche aus den Zufahrtsstrassen in die Seestrasse einbogen, unterschätzen mein hohes Tempo und fuhren unbesorgt drauflos. Man fährt so schnell wie ein Töff, sieht aber immer noch aus wie ein Velo. In meinem Übermut hängte ich mich in den Windschatten eines Kleinlasters und donnerte mit 55 Km/h Horgen entgegen. Ich brauchte weniger als eine Viertelstunde um von der Roten Fabrik zum Bahnhof Horgen zu gelangen. Die Batterie hatte sich schon um mehr als die Hälfte entladen also kehrte ich um.

Auf dem Rückweg radelte vor mir ein ziemlich fit erscheinender Typ. Ich überholte ganz langsam und köderte ihn mit meinem Windschatten. Nachdem er „angebissen“ hatte, erhöhte ich langsam aber sicher das Tempo. Bei 47 Km/h war bei ihm Ende Feuer und er musste abreissen lassen. Aber ich brachte es nicht übers Herz ihn im Glauben zu lassen, dass er gerade von einem Irren auf einem Mountain-Bike mit etwas Hüftgold unter dem Maillot Jaune abgehängt wurde. Also liess ich mich wieder zurückfallen und beichtete ihm, dass ich mit dem Stromer gedopt sei. Vom fiesen Windschattenspiel war er immer noch ganz ausser Atem und brachte nur noch einen Satz über die Lippen: „Was choschtet das Ding?“ „Keine Ahnung!“, rief ich ihm entgegen und brauste wieder davon.

Ich wollte ja schliesslich noch die Uphill-Qualitäten des Stromers testen. Also machte ich noch einen Abstecher rüber ins Sihltal. Wie Pantani zu seinen besten Mont-Ventoux-Zeiten drückte ich das Bike mit 30 Stundis in die Passkurven. Nur der Wiegetritt entpuppte sich als Ding der Unmöglichkeit, weil da immer einer von Hinten das Bike wegschiebt. Die Anzeige für die Batterie begann zu blinken. Höchste Zeit, wieder zurück zu fahren. Beim Downhill lud sich die Batterie wieder etwas auf und trug mich noch bis Rüschlikon. „Error“ stand da auf dem Display und kurz darauf wurde ich auf den Boden der Realität zurückgeholt. Eben noch flog ich als Rocketeer durch die Gegend und jetzt war ich plötzlich nur noch ein untertrainierter Clown in einem Maillot Jeaune auf einem 25-Kilo-Bike, der sich mit Müh und Not zurück in die Stadt schleppte. Aber schön wars trotzdem. Dank dem Stromer bekam ich einen kurzen Augenschein, wies früher war als ich noch aus eigener Kraft in 1.45h um den Zürichsee flog. Aber hey, vielleicht kommt das ja wiedermal. Die Hoffnung stirbt zuletzt - aber ich wahrscheinlich vorher.

Midi beim Turmspringen


Irgendwie habe ich das Gefühl, der Fit for Life Redaktion wäre es, seis aus Gründen möglichen Personalabbaus, allmählich recht, wenn ich eines meiner sportlichen Abenteuer nicht überleben würde. Diesmal schickten sie mich nämlich ins Turmspringen. INS TURMSPRINGEN...! Alle, die meine Kolumne über den Schwimmuntericht vor etwa 2 Jahren gelesen haben, wissen, Wasser ist nicht, ich betone NICHT, mein Element. Und jetzt sollte ich aus höchster Höhe (habe ich schon erwähnt, dass ich nicht schwindelfrei bin?) in ein 6 Meter tiefes Becken (habe ich schon erwähnt, dass tiefes Wasser unter meinen Füssen meine Grundangst vor Seemonster nährt?) springen und mich im panischen Hyperventilations-Hundeschwumm wieder an Land retten. Resultat: 3 mal Todesangst innert 5 Sekunden. Gratuliere Redaktion, neuer Rekord. Aber eben – ich war alt und brauchte das Geld.

Am Stichtag ass ich ganz viel Spinat, denn Spinat verursacht bei mir innert Kürze enorme Blähungen Davon versprach ich mir den nötigen Auftrieb, der hier möglicherweise über Leben und Tod entscheiden würde. Jeden Mittwoch um 20 Uhr trifft sich ein wilder Haufen von Sprungakrobaten im Hallenbad Oerlikon zur gemeinsamen Flugstunde. Bei sommerlichen Temperaturen fuhr ich mit dem Velo vor und wankte verschwitzt und widerwillig ins Hallenbad. 26 Grad im Schatten und ich geh ins Hallenbad. Super. Mit einem flauen erster-Schultag-Gefühl im Bauch zog ich meine Surferbadehose an und ging unter die Dusche. Jetzt stand ich nass und verloren im riesigen Hallenbad – und mir war kalt. Super. Und zudem war just an diesem Datum Welt-Kuss-Tag. Nur, wer würde mich in diesem erbärmlichen Zustand noch küssen wollen? Der Beckenrand womöglich.

Die Sprungtürme im hinteren Bereich ragten wie Wolkenkratzer empor. Plötzlich sah ich wie ein kleiner Junge, ca. 12jährig, auf den 7,5 Meter Turm stieg und dort oben etwas rumlungerte. „Mein Gott, wem gehört bloss dieser Junge? Sieht denn Keiner, dass dort oben ein Kind rumturnt?“, dachte mein besorgtes Vaterherz. Ich war offensichtlich der Einzige im Hallenbad, der alarmiert wirkte. Plötzlich stand der Kleine, Rücken Richtung zum Sprungbecken, an der Turmkante und machte einen gestreckten Rückwärts-Salto samt sauberem Eintauch-Zischgeräusch. Mir lief der Hintern auf Grundeis. Wenn die Kleinen hier schon solche Dinger machen, was würden sie denn von mir erwarten?

„Hallo, mein Name ist Midi und suche die Mirjam.“, stellte ich mich schüchtern dem Grüppchen unter  den Sprungtürmen vor. „Das bin ich.“, sagte eine grossgewachsene Brünette mit einem Ich-weiss-mein-Kleiner-du-machst-dir-hier-fast-in-die-Hosen-aber-es-kommt-schon-alles-wieder-gut-Lächeln im Gesicht. Ich warnte Mirjam davor, dass ich im Schwimmen eine Niete sei und sie meinte schelmisch, man müsse hier gar nicht schwimmen können. Haha, sehr lustig. Beim Einturnen auf einer Mattenbahn, musste ich gleich einen Run von drei Purzelbäumen hintereinander hinlegen. Danach war mir schwindlig. Verlegen lächelte ich mein Getorkel weg und machte darauf ein paar Rückwärts-Purzelbäume. Danach gings wieder mit dem Schwindel. Darauf wurde ein Rückwärts-Purzelbaum mit etwas Schwung und anschliessender Kerze welche in einem Kopfstand endete von mir verlangt. Und siehe da, ich schaffte es nach 3 Versuchen. Die Gruppe staunte und mein Selbstvertrauen wuchs um ein paar Zentimeter.

Anschliessend zeigte mir Mirjam auf einem riesigen Trampolin, wie man einen korrekten Absprung macht. Rechtes Bein Schritt nach vorn, Sprungbein anwinkeln, Arme acapulcomässig gestreckt nach aussen und dann mit einer schwungvollen Aufwärtsbewegung abspringen. Nachdem ich diesen Bewegungsablauf etwas verinnerlicht hatte, schickte Mirjam mich in die Fluten. Nicht von einem Turm und auch nicht von einem Sprungbrett sollte ich springen, nein, vom Beckenrand musste ich mittels dieser neuen Sprungtechnik in Wasser hüpfen. Wenn man das richtig macht, taucht man kerzengerade ins Wasser und wenn man das macht, schiesst einem Chlorwasser in die Birne und wenn das passiert, dann atmet man reflexmässig aus und dann merkt man, dass es bis zur Wasseroberfläche noch 4 Meter sind und man keine Luft mehr hat. Kurz: Mit „man“ meine ich mich und ich ertrank schon fast bevor ich auch nur Ansatzweise von einem Sprungbrettchen gesprungen bin. Super, läuft doch prima.

Nachdem ich etwas um mein Leben gekämpft hatte, was zum Glück ausser Gott und mir niemand bemerkte, machte ich das Selbe vom 1 Meter Brett, danach vom 3 Meter Brett und dann vom 5 Meter Turm. Mirjam gab mir immer wieder kleine Korrekturen und brauchte häufig den Ausdruck „Naturtalent“. Aber irgendwie fühlte es sich nicht so an. Mehr schlecht als recht durchlief ich die ganze Serie mit dem Köpfler und um mich herum sprangen Menschen im Ravensburgeralter (8-88) in allen möglichen Flip-Flop-Salto-Piruetten ins Wasser. Als Schluss-Bouquet forderte Mirjam mich auf vom 7,5 Meter Turm zu springen. Meine weibliche Intuition sagte mir, dass das nicht gut kommen würde. Ich hätte hier auch schreiben können: Mein Angstschweiss sammelte sich in der Dammgegend, aber das klingt einfach nicht so schön. Fazit ist: In meinem Alter macht man halt einfach nicht mehr alles was die Leute einem sagen. Aber danke für alles Mirjam, das „Naturtalent“ hat zuviel Spinat gegessen und muss jetzt abdampfen.



Midi beim Triathlon


Da stand ich also. Zitternd am Beckenrand des Freibads der Gemeinde Stettfurt, bekleidet mit einer blumigen Surfer-Badehose inmitten hochmotivierter Triathleten, alle in schnittigen Neopren-Anzügen. Es regnete und das würde auch den ganzen Tag so bleiben. Ich war die Nummer 675 und reihte mich ein, um an meinem ersten Triathlon an den Start zu gehen. 200 Meter schwimmen, 17 Kilometer Rad fahren und zum Schluss noch 4 Kilometer humpeln. Für die meisten Leser von FIT for LIFE klingen diese Distanzen wohl schon fast lächerlich, aber mir erschien dieser Triathlon in der Kategorie „Plausch“ härter als eine endlose Hindernisstrecke in einem pakistanischen Al-Kaida Trainingslager.

Auf ein akustisches Signal hin begab ich mich ins Wasser und machte mich auf den Weg, die vier Längen hinter mich zu bringen. Die erste Länge legte ich, für meine Verhältnisse, ziemlich schnell zurück. Zu schnell, wie ich dann beim zurück schwimmen bemerkte. Was sich vorher bei mir noch als Kampfgeist bemerkbar machte, verwandelte sich jetzt in puren Überlebenskampf, denn es ist nun mal ein Naturgesetz, dass ein Körper, der sich im Wasser nicht mehr bewegt, schlicht untergeht - oder eine Leiche ist. Wie auch immer, die dritte Länge schwamm ich, um etwas Entspannung zu erlangen, auf dem Rücken, wie ein Eisbär im Zoo-Becken, nur langsamer. Auf der vierten praktizierte ich dann wieder den bewährten Brustschwumm und schleppte mich so über die Distanz.

Auf dieser kurzen Strecke wurde ich schon etwa gefühlte drei Mal überholt. In Wirklichkeit waren es sieben, aber mehr als die Hälfte nahm ich während meiner Planscherei gar nicht wahr. Der Ausstieg war im Kinderbecken, dort kam man über drei Stufen an Land. Zwei Helfer standen bereit, um den Leuten, die sich überschätzt hatten - und zu denen ich mich ganz klar zählte - etwas unter die Arme zu greifen. Zum Glück, denn kaum war ich aus dem Wasser, funktionierte die Erdanziehung wieder und meine Beine sackten weg.

Jetzt rannte ich mit kleinen, vorsichtigen Schritten einen Grashügel hoch, um in die Wechselzone zu gelangen. Mit der Nummer 675 war mein Bike zum Glück gleich am Anfang der Zone positioniert. Wer weiss ob, verdattert wie ich war, ich mein Velo sonst gefunden hätte. Meine Ausrüstung war eher rustikaler Natur. Eine blaue IKEA-Tasche, gefüllt mit alten Bike-Klamotten und Wasser! Ja, Wasser, weil die Tasche ja nicht verschliessbar ist und es die letzten 45 Minuten ununterbrochen rein regnete. Super! Aber das war mir egal, denn heute würde ich ja sowieso nur einmal nass werden.

Es war ein spezielles Gefühl, sich mit Puls 170 vor so vielen Leuten splitternackt auszuziehen und in pflotschnasse Bike-Wear zu steigen. Aber das freigesetzte Adrenalin in meinem Körper senkte meine Schamgrenze deutlich. Ich wollte eigentlich nur noch weg hier, doch die feuchten Kleider zwangen mich zu einer unfreiwilligen Slapstick-Nummer. Das junge Mädchen direkt neben mir absolvierte die Wechselzone in wenigen Sekunden und liess mich verzweifelt in meiner Textil-Hölle zurück. Wie machte sie das bloss?

Irgendwann schaffte ich es, mich auf mein weisses Ibis-Bike zu schwingen und nahm die 17 Kilometer in Angriff. Gerade als ich im Begriff war, an der leichten Anhöhe hochmotiviert aus dem Sattel zu gehen, brauste von hinten das Feld der doppelten Plausch-Distanz, welches sich jetzt auf der zweiten Runden befand, heran und liess mich im Dauerregen am Hang stehen. So muss sich Jan Ullrich gefühlt haben, als er während der Tour de France 1998 auf dem Galibier Pass neun Minuten auf Pantani einbüsste. Nach der Hälfte der Strecke ging es endlich bergab, doch blies mir der Gegenwind den Regen so stark in die Rübe, dass mein Zahnstein am Halszäpfchen aufprallte. Als ich mich endlich in die Wechselzone zurückkämpfte, entledigte ich mich der überflüssigen vollgesogenen Kleider und versuchte zu rennen.

Doch irgendwie waren meine Beine noch im Pedaliermodus und zwangen mich krampfartig in eine seltsam geduckte Haltung. Der Glöckner beim Jogging. Sehr schön. Beim Aufstieg auf regennasser Fahrbahn und aufgeweichtem Terrain gabs dann aber keine Stilnoten, sondern eine Up-Hill-Schlammschlacht, bei welcher die Milchsäure in meine Beine einschoss wie Napalm. Ein paar hundert Meter nach der Anhöhe „entfaltete“ sich mein Laufstil langsam wieder zu einer einigermassen aufrechten Gangart und so konnte ich den Triathlon, zumindest rein optisch, würdevoll zu Ende laufen. Nach einem glorreichen Zieleinlauf (mit Namensnennung über die Verstärkeranlage), holte ich mir voller Stolz mein Finisher-Shirt – und zwar getrieben aus einer Mischung aus euphorischem Ehrgeiz und purer Naivität, in der Grösse S.

Midi auf dem Torrenthorn


Irgendwie hat die Redaktion rausgefunden, dass ich die Sommerferien in meinem wunderschönen Heimatort Albinen im Wallis verbringe. Also suchten mir die Schreibtisch-Sados einfach den höchsten Berg in der Gegend, nämlich das Torrenthorn (3000 M.ü.M.), heraus und beauftragten mich dort rauf zu klettern. Was die Leuchten im Backoffice aber nicht wissen konnten ist,  ich war schon des Öfteren auf dem Torrenthorn. Ha...! Das letzte Mal vor genau, warten sie mal, da muss ich jetzt kurz rechnen, äh, mein Gott - vor ziemlich genau 20 Jahren. Tja, was solls? Der Berg wird in dieser Zeit wohl kaum gewachsen sein, ganz im Gegenteil zu meiner Körpermitte. Hmpf...!

Mein primäres Problem war aber gar nicht mal die Besteigung des Torrenthorns sondern die Tatsache, dass ich mit zwei zwirbligen Kindern und meiner 82-jährigen Mutter in den Bergen war. Die Drei konnten natürlich unmöglich mit auf den Dreitausender. Also brachte ich sie auf der „Rinderhütte“, neben der Bergstation, in einem Bar-Rondell umzäunt von einem elektrischen Kuhdraht unter. Meine Liebsten in dieser Berglandschaft alleine zurück zu lassen gefiel mir nicht aber gab mir einen enormen Antrieb, die 700 Höhenmeter so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.

Auf der Wanderweg-Tafel war die Strecke mit 2 Stunden taxiert. Ich setzte mir das Ziel das Ding, wie vor 20 Jahren, in einer Stunde zu meistern. Im Dorf unten lachte sie mich aus als ich erzählte, dass ich „schnell“ aufs Torrenthorn wolle. „Ihär hüärä Grüezini wällt immer alles schnäll-schnäll machu.“, hiess es. Man prognostizierte mir mindestens 1,5 Stunden Wanderzeit. Na wenn das nicht genug Ansporn war um das letzte Quentchen Energie aus meinem minimal durchtrainierten und von Völlerei geplagten Körper zu prügeln.

Nach einer überschwenglichen Verabschiedung von meiner Familie, drückte ich „Go“ auf meiner Handy-Stoppuhr und joggte topmotiviert den Wanderweg hoch. Nach 30 Sekunden entschied ich mich, statt zu joggen, einfach schnell zu gehen, denn Beides ergab etwa die selbe Geschwindigkeit. Nach weiteren 30 Sekunden entschied ich mich von „schnellem Gehen“ in „einfaches Wandern“ zu wechseln, was eher meinem Alter entsprach. Ich trug Shorts, Turnschuhe, ein Poloshirt und eine Trainerjacke, die ich aber ziemlich bald auszog weil die Sonne ziemlich niederbrannte. Ich hatte keinen Rucksack, keine Trinkflasche, rein gar keinen Ballast, der mich an einer Spitzenzeit hindern konnte. Im Vorfeld der Wanderung ging ich extra nicht aufs Klo um so, wie die Kamele in der Wüste, Feuchtigkeit in meinem Höcker als Reserve aufzubewahren.  Clever nicht?

Nach 20 Minuten befand ich mich erst am Ende der obersten Skilifte des Torrent-Gebiets angelangt. Ich schleppte mich weiter den Berg hoch. Mein Puls und meine Atemkadenz waren am oberen Anschlag und jetzt wurde es erst richtig steil. Ich fühlte deutlich, dass mir der Saft in den Beinen fehlte, dafür hatte ich genug in der Blase. Irgendwie klappte meine Kamel-Höcker-Methode nicht. Keuchend und mit Druck auf der Blase stieg ich weiter hinauf. In der Zwischenzeit war ich auf dem Gratweg angelangt. Hier gabs keine Möglichkeit schnell Wasser zu lassen, da stetig andere Wanderer vom Berg abstiegen. Das Terrain wechselte jetzt von Gras zu Geröll. Es wurde noch steiler. Der Schweiss schoss mir aus den Poren, was in meinem Körper eine Aufwärts-Saugbewegung bewirkt haben muss, denn mein Klo-Drang war plötzlich weg.

Wie im Wahn stieg ich unter grässlichen Schmerzen höher und höher. Links und rechts vom Grat gings steil abwärts und ich lief hier am Limit zwischen Spontanschwindel und Laktat-Husten-Elend durch die Gegend. Ich glaube, meine Familie da unten sollte sich eher Sorgen um mich machen als ich um sie. Als ich endlich den Schafsberg erreicht hatte gings eine weite Geröllfläche hoch zum Torrenthorn. Da sah ich vor mir ein Gruppe Sport-Wanderer. Im totalen Verfolgungswahn holte ich die Posse bald ein. Wie sich herausstellte waren es keine durchtrainierte Berg-Rambos sondern nur eine holländische Familie. Hallo?! Wie wenig Würde muss man in sich haben, wenn man darauf stolz ist, hier eine Familie zu überholen die aus einem Land kommt wo’s null Berge hat? Als ich genüsslich schnaubend an ihnen vorbeizog, merkte ich wie sich der älteste Teenager-Sohn an meine Fersen heftete. Verdammt. Das könnte hier wirklich noch hässlich enden für mich, wenn ich in meiner Kolumne schreiben müsste, dass ich kurz vor dem Gipfel meines Hausbergs noch von einem pickligen, unerfahrenen Niederländer gedemütigt wurde. Ich weiss ja nicht wie, aber der Gedanke genau das hier schreiben zu müssen, zündete bei mir den Nachbrenner. Ich rannte jetzt die letzten 300 Meter zum Gipfel hoch. Wie ein Besessener kramte ich meine Handy-Stoppuhr hervor: 55 Minuten! Wahnsinn! Neuer Rekord – und das in meinem biblischen Alter. In dieser Gipfelsturm-Euphorie, schrieb ich meiner Mutter eine SMS und rannte den ganzen weiten Weg wieder runter. Nonstop. Nach 35 Minuten Down-Hill in den Beinen war ich wieder lebend in der Rinderhütte angekommen. Die Familie war wieder vereint und das war gut so. Nur hatte ich in den folgenden Tagen einen Muskelkater, dass mir bei jedem verdammten Schritt schlecht wurde.




Ich im Tai Chi (Gesundheit)


Jene die das hier nur lesen um mich leiden zu sehen, werden enttäuscht sein, denn es tat diesmal überhaupt nicht weh. Ausser vielleicht, dass ich schon um 6.30h aus den Federn musste schmerzte meinen gemütlichkeitssüchtigen Körper un peu. Als ich mich unter der Dusche durchs Sauber-mach-Routine-Programm ächzte und mich fragte, wie ich mir bloss diesen frühen Tai Chi Termin aufschwatzen lassen konnte, kam mir Sting in den Sinn, der zu diesem Thema mal sagte: „You gotta get out of that comfort zone.“ Und genau das tat ich heute. Doch erst musste ich mich um den richtigen Look kümmern. Was trage ich bloss zu dieser Tai Chi Lektion? In einer sportlichen Montur würde ich mich wohl schnell zum Affen machen, denn Tai Chi, mutmasste ich, ist doch eher was Traditionelles, Schlichtes. Also entschied ich mich für lange, weisse Baumwoll-Hosen mit einem weissen Shirt. Jetzt sah ich aus wie Jemand vom Betreuungs-Personal des Unispitals auf dem Weg zur nächsten Mykonos-Party. Super!

Ich radelte in die Hochschulsportanlage des ASVZ wo ich ja kürzlich beim T-BOW mein Glück versuchte - und verlor. Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Versuchen sie mal unbemerkt in eine Tai Chi Klasse reinzuschleichen. Bei einer laut dröhnenden Aerobics Stunde, kein Problem aber beim Tai Chi ist das wohl als käme man zu spät zu einer Beerdigung. Und so kam es dann, dass ich mit Abstand der Erste im Unterrichtsraum war. Goldig! Nun stand ich da, in meinen weissen Klamotten und versuchte friedlich zu wirken. Ein paar der eintrudelnden Teilnehmer zeigten mir ihren ASVZ-Ausweis. Die weisse Kleidung verlieh mir offensichtlich was Offizielles. Schliesslich kam mein heutiger Tai Chi Meister Patrick Noser dazu und begrüsste mich freundlich. Er trug kurze, schwarze Radler-Tights und ein schwarzes Top. Soviel zu meinen Fähigkeiten einen möglichen Dresscode einschätzen zu können. Patrick zog einen riesigen Vorhang auf und dahinter kam ein flächendeckender Spiegel zum Vorschein. Das erfreute zum einen den Narzissen in mir, beleidigte aber gleichzeitig meine Eitelkeit, denn es war ja 8 Uhr morgens.

Patrick liess uns erst mal stabil hinstehen. Beine etwas breit, leicht in die Knie, Steiss nach vorne geschoben und die Arme seitlich leicht angehoben, wie ein Cowboy vor dem Duell, bevor er abgeknallt wird. In dieser Position machten wir, mit geschlossenen Augen, ein paar Atemübungen bei denen man sich beim Einatmen nach oben streckt und beim Ausatmen wieder runter in die Cowboy-Pose zurückkehrt.  Danach umarmten wir einen imaginären Baumstamm, der beim Einatmen an Volumen gewann und streiften einen Vorhang entlang hoch und runter. Patrick meinte, störende Gedanken aus dem Alltag sollen wir gleich wieder ins Pfefferland zurückschicken um uns auf die von ihm gestellten „Aufgaben“ zu konzentrieren. Es half natürlich auch nichts, dass noch ein paar Nachzügler zu spät zur Klasse stiessen. Während sie versuchten sich unbemerkt in den Raum zu stehlen, rollte ich theatralisch die Augen. (Nein, das tat ich natürlich nicht aber mein fieses Ich tats in Gedanken.)

Nach ein paar weiteren Übungen kamen wir zu der Figur, die ein Tai Chi-Leihe wie ich, als den Klassiker bezeichnen würde. Wenn ich das richtig aufschnappt habe heisst die Figur „Die Mähne des Wildpferdes teilen“. Schön, nicht? Es ist eine Übung bei der man mit einem fliessenden Bewegungsablauf den Angreifer abwehren kann. Man hält in Gedanken einen grossen Ball vor sich und wehrt in einem Ausfallschritt ab. Erst als Patrick das Ganze an einem Teilnehmer vorführte, fiel bei mir der Groschen. Man zieht einen Arm des Angreifers zu sich heran und drückt gleichzeitig mit dem anderen, gestreckten Arm gegen seine Brust und hebelt ihn über das Bein welches beim Ausfallschritt nach vorne geht. Ist halt ein bischen wie Judo, einfach für geistig Intellektuelle.

Das teilen der Mähne des Wildpferdes gibt’s auch noch in einer sich fortbewegenden Version. Da beschreibt man eigentlich die gleiche Figur, nur macht man jedes mal einen Ausfallschritt nach vorn und bewegt sich so laufend und abwehrend durch die gedachte Hafenkneipenschlägerei. Patrick korrigierte mich ein paar mal weil ich dabei dauernd in die bequemere Rücklage geriet aber mit laufender Wiederholung striegelte ich die Mähne des Wildpferdes in einem schönen Flow. Trotzdem sah es bei mir bis zum Schluss einfach nie so locker aus wie bei Patrick. Ich wirkte eher wie ein argentinischer Tangotänzer auf Entzug der zum chinesischen Schattenboxen übergelaufen ist.

Vielen Dank Patrick. Du hast mir gezeigt, dass man mit geschlossenen Augen den totalen Durchblick haben kann. Falls ich in Zukunft mal auf eine Tai Chi-Gang stossen sollte, die gerade im Begriff ist eine Horde Skinheads in Zeitlupe zu vermöbeln, werde ich ihnen tatkräftig zur Seite stehen. 

Midi sucht sein Glück in der T-Bow Klasse


Um es vorweg zu nehmen: In einer T-Bow-Stunde wimmelt es nur so von Frauen, aber MANN wird keine davon zu Gesicht bekommen, geschweige denn kennenlernen, weil MANN stetig damit beschäftigt ist, nicht auf die Fresse zu fallen.

Gerade rechtzeitig betrat ich die Hochschulsportanlage der ETH Zürich und meldete mich am ASVZ-Schalter (Akademischer Sportverband Zürich). Ich akkreditierte mich als Besucher und stellte mir vor, wie alle Studenten mich mit meinem biblischen Alter von 44 Jahren, als Professor einstufen würden. Vielleicht dachten sie aber auch nur, ich sei der Abwart. Alles Dilettanten. Ich befand mich hier ja in den heiligen Hallen der Elite unseres Landes. Als ehemaliger Nichtstudent und „nur“ Sekundarschüler hatte ich hier natürlich stetig das Gefühl, fehl am Platz zu sein und dieses Gefühl sollte sich auch in dieser T-Bow-Klasse nicht ändern. 

Mit einer gespielten Gelassenheit holte ich mir am Hallenrand ein T-Bow und zwei Gummibänder und platzierte mich, routiniert wie ich bin, ganz unauffällig hinten links in der Klasse. So konnte mir niemand von hinten auf die Glatze starren oder beim Überfordert sein zusehen. Ich war wiedermal der einzige Mann in der Runde. Nur ein älterer Herr, der sich auf der anderen Seite des Raumes einnistete, hielt mir die Stange und versuchte mit mir den Testosteronspiegel hier etwas anzuheben. Vergebens. Ich vermutete, dass der arme Kerl sich entweder verlaufen oder eine Wette mit seinen Jasskumpels verloren hat. Das Selbe dachte er wohl auch von mir. Wie auch immer, nicht mein Problem. Mein Problem hiess Kersten Williams (wie der Schnaps, ihre Worte), denn Kersten war die Instruktorin und dazu autorisiert, mir für die nächsten 60 Minuten amtlich bewilligte Schmerzen zufügen zu dürfen. Sehen sie, als braver Steuerzahler kriegt man irgendwann alles vom Staat wieder zurück. Ich liebe dieses Land.

Kersten trug eine lachsfarbene Aerobic-Uniform, ein Janet-Jackson-Mikro und eine Paul-Breitner-Frisur. Passend zum Fussballthema wärmten wir uns auf und zwar zu allen drei letztsommerlichen WM-Hits „Waka Waka“, „Wavin’ Flag“ und das dritte, welches von einer Frau gesungen wird, so mit Trommeln am Anfang, und alle kennen es, aber niemand weiss wies heisst. Ja, genau das.
In der Aufwärmphase machten wir viele Schritt- und Hüpfkombinationen, die tänzerisches Verständnis voraussetzten. Meine unzähligen Discobesuche während meiner Jugendzeit sollten also doch noch zu was gut gewesen sein. Das T-Bow, welches ja stark an ein Waschbrett, das zu lange an der Sonne gelegen hat, erinnert, stellten wir vor uns hin. Alle Übungen „gipfelten“ auf dem T-Bow und jetzt wurde mir auch klar, weshalb fast nur Frauen hier waren. Multitasking war bei diesen relativ anspruchsvollen Kombinationen gefragt und das hatte ich erstaunlicherweise ziemlich gut drauf, was aber gleichzeitig auch meine Männlichkeit stark in Frage stellt. Aber hey, diese Sorgen spare ich mir lieber für meine kurz bevorstehende Midlifekrisis auf.

Was zu Beginn noch locker anfing, entwickelte sich langsam aber sicher zur Muskelfaserfolter. Spätestens als wir das T-Bow umdrehen mussten und auf dieser grossen Halbschale balancierten, wurde mir klar, dass das hier kein Nachmittag auf dem Ponyhof werden würde. Alle Übungen wurden jetzt nämlich durch pausenloses Ausbalancieren intensiviert und das ist wohl auch der Knackpunkt beim T-Bow. Wenn man festen Boden unter den Füssen hat, ists einfach, aber kaum steht man hier oben, geht’s an die Substanz und die war bei mir nur beschränkt vorhanden. Eine andere Investition aus meiner Spätjugendzeit sollte  sich nun bezahlt machen: Die unzähligen Stunden, welche ich als Möchtegern-Skateboarder in der Half- oder Quarterpipe verbrachte. Die halfen mir, während den anspruchsvollen Kombinationen, die Balance zu halten und waren der Grund dafür, dass ich mich hier nicht völlig zum Affen machte. Denn eines muss gesagt sein: Ein „normaler“ Mann, was immer auch das sein mag, wäre hier schon lange einen Stock höher auf irgendeinen Crosstainer geflüchtet. Aber ich und mein Jasskumpel auf der anderen Seite hielten tapfer durch. Zum Glück war die Musik so laut, dass man mein Wimmern nicht hören konnte.

Schlimmer geht’s nimmer, denk ich. Doch Frau Williams (wie der Formel 1 Rennwagen, meine Worte) fordert uns auf Gummibänder, welche in einen einseitig aufgeschlitzten Tennisball geflochten wurden (McGiver lässt grüssen), zur Hand zu nehmen. Diese Gummibänder werden durch zwei Öffnungen am T-Bow gezogen und dienen zur Intensivierung der eh schon durch die Balancegeschichte intensivierten Intensiv-Übungen. Ich weiss ja nicht wie viele Stunden sich die Erfinderin Sandra Bonacina mit Daniel Düsentrieb bei der Entwicklung des T-Bows den Kopf zermartert hat, aber was dabei heraus kam, ist für ein Weichei wie mich eine Katastrophe und für körperbewusste Fitnessfreaks schlicht genial.

Und hier geht’s zur Folter: http://www.t-bow.ch/

Midi als Stand-up Paddeling


Was macht ein Stand-up Comedian beim Stand-up Paddeln auf dem See? Genau, hinfallen. Mit hinfallen mein ich, hinEINfallen, in den See, den Zürichsee, den KALTEN Zürichsee.

Da sassen wir nun, in der Badi Wollishofen, ich und mein Red Bull. Gut gelaunt schauten wir einer lustigen Einführungslektion im Stand-up Paddeling mit David Trmal entgegen, denn auf der Dose steht ja laut und deutlich: Red Bull verbessert das subjektive Wohlbefinden. Funktioniert so weit gut.

David, zufällig ein sympathischer Jahrgangszwilling von mir,  reichte mir einen ärmellosen Wetsuit. Ein ärmelloser Wetsuit ist eine prima Sache für Männer in unserem Alter. Alle Problemzonen werden zusammengepresst und kurzfristig unter den Teppich gekehrt. Soviel zum subjektiven Wohlbefinden. Jetzt wurde mir klar weshalb der späte Tony Curtis nur noch mit Korsett bestückt unter die Leute ging – aber, das ist eine andere Geschichte. Mit aufgerüstetem Körpergefühl folgte ich David in einen Raum voller Kanus, Surfboards und weiteren Neoprenanzügen. So wie hier, muss es wohl in einer Kondomfabrik riechen. Zusammen trugen wir zwei 9-10 Footer nach draussen. David erklärte mir kurz wie man auf dem Brett liegt, kniet und dann schlussendlich aufsteht. Die Füsse stehen dabei nicht, wie von mir vermutet, diagonal zum Brett, sondern parallel nebeneinander. Das Paddel war meines Erachtens etwas zu kurz geraten. Doch dann fand ich Leuchte heraus, dass es individuell verstellbar ist. Beim paddeln sollte der obere Arm, mit dem man den Knauf hält, gestreckt bleiben. Je nach Seite muss beachtet werden, dass immer der Arm, welcher dem Wasser näher ist, die Mitte des Paddels hält und der andere den Knauf oben umfasst. Missachtet man diese einfache Regel, kann man mit einer flüchtigen Glasknochenkrankheit schnell mal einen offenen Unterarmbruch riskieren – aber, das wäre eine andere Geschichte.

David half mir mein Board zu wassern und schickte mich voraus in die Fluten der Verdammnis. Wie es mir mein Coach vorher gezeigt hatte, klemmte ich das Paddel zwischen Brust und Board und kraulte halbherzig aus der Sicherheitszone der Badi Wollishofen. Schon beim Einstieg zog es mir die Innereien etwas zusammen als ich die doch eher frische Temperatur des Zürichsees an meinen Beinen spürte. Fragen sie mich nicht weshalb, aber irgendwie hatte ich bei dieser Stand up Paddeling Geschichte die Rechnung ohne lästigen Wasserkontakt gemacht. Wohlbefinden ade...! Irgendwie fehlt auf der Red Bull-Büchse folgender Satz: Das subjektive Wohlbefinden verschlechtert sich mit zunehmender Objektivität. Aber alles in-mich-hinein-jammern half nichts. Nachdem ich die gelben Bojen der Badi erreicht hatte, gab mir David, der mich in der Zwischenzeit eingeholt hatte, den Befehl zum knien. Gesagt, getan. Da war ich nun, kniend auf dem Zürichsee, reumütig und ohne Perspektive. Der Moment hatte etwas katholisches und der Tauftermin sollte näher sein als mir lieb war.

Mit einem beherzten Ruck stand ich auf und begann zu paddeln. David, inzwischen auch auferstanden, äh aufgestanden, paddelte direkt neben mir und sagte irgendwas Ermutigendes. Mein stark eingeschränktes Multitasking kann den Mitschnitt der genauen Worte nicht mehr wiedergeben, sorry. Irgendwie war das hier alles viel wackliger als im Internet-Prospekt. Das starke Verkehrsaufkommen auf dem See hatte ziemlichen Wellengang zur Folge und das war natürlich alles andere als nützlich für meine Stabilität auf dem Brett. David, die Ruhe selbst, schiens nicht zu kümmern. Und just während ich seine Unbekümmertheit bewunderte, übersah ich eine fiese Wellenserie und sank, völlig frei von Grazie, seitlich des Bretts ins kalte Nass.

„Schiessebach isch au e Stadt“ fauchend kraxelte ich umständlich wieder zurück aufs Board. David meinte, ich solle mehr in die Knie gehen. Wieso muss man auch bei jeder Sportart in die blöden Knie gehen um nichts falsch zu machen? Ich tats, stand aber, jetzt neu, zu weit hinten auf dem Brett. Die Wellen des, zuvor noch dramatisch hupenden Kursschiffes, machten den Rest und ich flog wie die armen Schweine früher bei „Spiel ohne Grenzen“ rücklings in die Algen-Gazpacho. Diesmal mit Kommando Untergang. Meine Föhnfrisur war futsch und mein Haar verlor dramatisch an Spannkraft. Das war mir eine Lehre. Die Angst vor einem weiteren Sturz vor versammelter Badegemeinde liess mich in den Beinen etwas verkrampft zurück aber oben klappte es langsam mit der Paddeltechnik. Wenn der Bewegungsablauf richtig gemacht wird, geht die Sache schön in die Bauchmuskeln und als ich neben David so um das schöne Saffa-Inseli paddelte, kam schon fast etwas venezianische Gondoliere-Wehmut auf. Danke David, dass du schlussendlich mein subjektives Wohlbefinden wieder hergestellt hast.




Midi beim Stabtiefsprung


Erst auf dem Weg in die Turnhalle Sihlhölzli wurde mir bewusst, was ich da eigentlich für eine Zirkusnummer abziehen sollte. Stabhochsprung! Hallo?! Mich ins Stabhochspringen zu schicken ist etwa so grotesk wie einen Fisch hinter das Steuer eines Glastransporters zu setzen. Immerhin ist man aber mit der Aussage „Du, ich muss jetzt los, ich gehe eben noch kurz ins Stabhochspringen“ ein ziemlicher Exot im Zürcher Alltagstrott. Aber eben, diese wenigen Vorschusslorbeeren sollten das einzig Ruhmreiche an diesem Unterfangen bleiben.

Marco Aeschlimann, der mutige Mann, der sich auf die Fahne geschrieben hatte, mir dieses fiese Sportart beizubringen, steckte im Stau fest. Per Handy gab er durch, ich solle doch schon mal draussen auf der Aschenbahn zwei Runden joggen. Das nennt man wohl Beschäftigungstherapie. Auf dem Weg zur Laufbahn traf ich auf einen alten Bekannten. Der Kugel-Werni, den ein paar vielleicht aus der Diskus-Kolumne kennen, trieb sein Unwesen statt im Letzigrund nun im Sihlhölzli. Werni berichtete, dass Marco ihm schon von meinem Stabhochsprung-Training erzählte. Unterdessen gehört es bei den Sport-Coaches zum guten Ton, den „Wanderpokal“ Midi Gottet bei sich gehabt zu haben. Nach zwei Runden Lowspeed-Jogging, war ich bereit für die Turnhalle. Doch Marco war noch nicht da. Statt dessen fand ich dort drei junge Damen, so um die 20, vor. Deren defensive Körpersprache verriet mir, dass sie sich fragten, was dieser ältere Herr in der Frauenklasse verloren hatte. Diese Haltung änderte sich auch nicht als ich in einem Small-Talk herausfinden wollte, ob man in einer Stunde Stabhochsprung lernen könne. „Das ist wohl eher unwahrscheinlich.“, war die, für meinen Geschmack, etwas zu ehrliche Antwort.

Um die peinliche Stille in der Halle etwas zu lindern, machte ich ein paar Alibi-Aufwärmübungen. Die drei Ladies begannen damit, Sit-ups auf einem Schwedenbarren zu machen. Das war alles gut und recht aber bevor hier jemand auf die Idee kam, die Sitte zu rufen, entschloss ich mich, wieder rauszugehen. Ich setzte mich auf eine Bank in die Frühlingssonne. Das nenn’ ich doch Win-Win. Aufwärmen und faulenzen zu gleich. Stabhochspringen war eben doch eine feine Sache. Just als es begann bequem zu werden, stand mir der Kugel-Werni in die Sonne und meinte: „Sodeli, Schluss mit sünnele, de Stab-Chef isch grad vorg’fahre.“ Der Stab-Chef! Ich kicherte. So viel Wortwitz hatte ich dem Werni gar nicht zugetraut.

Marco begrüsste mich mit einem Lächeln auf den Stockzähnen. „Das optimale Alter um Stabhochsprung zu lernen ist 17.“, sagte Marco, zeigte aufs Frauentrio und drückte mir einen 3,73 Meter langen Fieberglas-Stab in die zittrige Hand. Ich: “Dann bin hier schon fast drei mal zu spät dran.“ Pointentusch! Er zeigte mir kurz, wie man den Stab hält und eine Minute später trabte ich schon, wie der späte Sir Lanzelot, durch die Halle. Wie in einem Sonntagnachmittags-Ritterfilm schob ich den Stab vor mir her und zielte auf die imaginäre Mulde im Boden. So sollte ich ein Gefühl fürs Timing bekommen um den Stab zum rechten Zeitpunkt im Einstichkasten vor der grossen Käsematte zu platzieren. Bei den Damen sah das alles ein wenig graziöser aus aber wen wunderts, laut Marco handelte es sich hier um drei Top-Springerinnen. Eine davon schaffe sogar die 4,18m-Marke. Ich nickte mit einer vielsagenden Miene, als wüsste ich, dass es sich dabei um eine enorme Höhe handelte. In Wahrheit, hätte ich jede Höhe durchgenickt. Alles über 2 Meter schien mir haushoch.

Jetzt nahm Marco den Deckel des Einstichkastens ab. Trommelwirbel, tata...! Er riet mir, den Stab jetzt etwas weiter unten zu halten und machte sogleich einen kleinen Demonstrationssprung vor. Irgendwie sah’s ganz einfach aus. Aber als ich all meinen Mut in die Hose packte und wie der Ritter der Kokosnuss losrannte, liess ich beim Aufprall auf den Einstichkasten vor Schreck die „Lanze“ los und landete flachgezogen auf der Matte. Wäre Marco Uli Hoenes gewesen, hätte er wohl geschrien: „Ja sind wir denn hier im Mädchenpensionat, oder was?“ Aber Marco lächelte nur gütig. Die drei Ladies taten, was sie am besten konnten: Sie ignorierten meine Anwesenheit fremdschämend. Beim zweiten Versuch blieb ich immerhin an der Latte dran, flog aber auf der falschen Seite des Stabes vorbei. Der dritte Sprung katapultierte mich endlich rechts an der Latte vorbei und ich flog tatsächlich auf geschätzten 1,5m und gefühlten 6,14m, mit dem Hintern voran auf die Matte. Allmählich verlor ich die Angst vor dem Aufprall im Einstichkasten und war grösstenteils in der Lage den Mikroflug zur Käsematte etwas zu kontrollieren. Die Ladies flogen wie Federn davon während ich immer mehr meine rechte Leiste, den Rechten Oberarm und meinen linken Oberschenkel in Rente schickte. Nach jedem Sprung wurden wir von Marco bewertet und korrigiert. Bei mir fielen die Korrekturen immer kürzer aus. Marco war offensichtlich langsam am Ende mit seinem Latein und ich am Ende meiner Kräfte. Fazit: Wenn Talent fürs Stabhochspringen Leute wäre, wäre ich Lichtenstein.