Egal wie griesgrämig man gerade
drauf ist, nach zehn Minuten Zumba, geht einem im Herzen die Sonne auf.
Achtung, fertig, Zumba und schon tanzt man mit dreissig anderen Frauen mit viel
Hüftwunder dem Sonnenuntergang im imaginären Club Med entgegen, obwohl es nur
eine bitterkalte Dezembernacht in einem Altersheim-Aktionsraum in
Zürich-Hottingen ist. Könnte mich mal bitte jemand ins Füdli chlüben, denn ich habe
das Gefühl, ich träume. (Autsch!) Doch nein, es ist war. Ich stehe hier
tatsächlich zwischen vielen leicht bekleideten Damen welche sich synchron im Takt
der Musik durch verschiedene Choreos bewegen und liebevoll darüber hinwegsehen,
dass ich ein absoluter Fremdkörper bin. Denn ja, etwas stimmt hier nicht.
Himmel! Ich bin tatsächlich eine begeisterte Zumba-Tante, gefangen in einem
Männerkörper. Wie zur Hölle konnte das geschehen?
Wie immer, hatte ich absolut keine
Lust mich körperlich irgendwie anzustrengen, geschweige denn, schwierigen
Zumba-Schrittfolgen zu folgen. Ich denke, sie können mir folgen. Wie immer,
wenn das Fallbeil für die nächste Folter einer anstehenden Fit-for-Life-Kolumne
niedersaust, werde ich, und das sollte dieses Mal nicht anders sein, zur
fleischgewordenen Unlust. Wenn Unlust Leute wäre, wäre ich China. Okay? Okay.
Aber eben, sie würden diese Zeilen hier nicht lesen können, hätte ich mich
nicht einmal mehr dazu überwunden, dem inneren Schweinehund eine reinzuhauen. Doch
es tat, wie immer, grässlich weh.
Um Punkt 21Uhr stand ich brav
zwischen etwa dreissig Frauen und fügte mich der Gewalt der Gezeiten. Herrin
der Gezeiten war Nancy Staub, ein unscheinbares Energiebündel, welches innert
Sekunden zur bösen, drahtigen Zumba-Kampfmaschine mutieren konnte. Wäre die
gute Nancy nicht im fünften Monat schwanger gewesen, hätte ich eine prima
Erklärung dafür gehabt, ihrem Pace nicht folgen zu können. Aber eben, sie war
im fünften Monat schwanger – und ich nicht. Sie war eine Frau und ich nicht.
Sie konnte Zumba und ich nicht.
Üblicherweise würde ich ungefähr an
dieser Stelle meiner Kolumne mit der Aufzählung beginnen, was ich in meinen
jeweiligen sportlichen Abenteuern so an Übungen durchgepowert habe. Aber so
stark ich mich auch konzentriere, mir kommt einfach nichts mehr in den Sinn von
all dem, was ich in diesen 60 Minuten Zumba gemacht habe. Oder soll ich besser
sagen, nachgemacht habe? Oder soll ich besser sagen, versuchte nachzumachen? Von
der ersten Minute an war nämlich mein, schon von Natur aus
unterdurchschnittlich ausgestattetes Bewegungszentrum meines Gehirns, überfordert
mit der Aufgabe alle Schrittkombinationen korrekt nachzustolpern. Stetig war
ich eine Nanosekunde im Hintertreffen, was in meiner Birne einen „Constant Error“
auslöste. Dazu prasselten auf meine Ohrmuscheln dezibelgeschwängerte Afro-Rhythmen
ein, welche meine Konzentration fürs Wesentliche zusätzlich verringerten um
nicht zu sagen pulverisierten. Und die Tatsache, dass sich in jedem möglichen
Blickfeld (ich stand in der Mitte des Raumes) tanzende Frauen befanden, liess
mein einfaches Männergemüt etwa auf den Intellekt eines aufgeschäumten
Ackergauls schrumpfen, der zur Befruchtung bereit steht. Kein schönes Bild.
Gebe ich zu. Aber die Karikatur von Swen bringt die Situation so ziemlich auf
den Punkt.
Aber, und jetzt kommt das
Bemerkenswerte, egal wie benommen und lendentaumlig ich mich durch die
Zumba-Choreos kämpfte und dabei meine Menschenwürde haufenweise ins eigene Grab
schaufelte, je länger ich das tat, je glücklicher wurde ich. Ja, sie haben
richtig gehört. Zumba macht glücklich. Nicht Geld, Gold oder Geiz, nein Zumba.
Es muss irgend etwas mit den sich stetig wiederholenden Bewegungsabläufen zu
tun haben. Da entstand dieses wohlige Gemeinschafts- und
Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach jeder Tanzsalve gab’s eine kurze
Verschnaufpause mit eingebautem Applaus, den wir uns selber schenkten. Danach ging’s
gleich weiter mit einem neuen Musikstück und weiteren Tänzchen, wie früher in
der Disco, einfach nüchtern - und älter. Aber denken sie jetzt nicht, Zumba sei nicht anstrengend.
Boah! Es ist anstrengend, fragen sie meine Lunge. Ich möchte ja nicht wissen,
wie ich leiden würde, wenn Nancy mal nicht im fünften Monat schwanger die
Stunde gibt, denn, ich Gegenteil zur ihr, setzten bei mir frühzeitige Wehen
ein. Doch es war ein guter Schmerz, der sowieso laufend von meinen Endorphinen
egalisiert wurde. Erst am nächsten Morgen als mein, eh schon steifes Becken,
von einem bösen Muskelkater glasiert wurde, merkte ich, was ich meinem Körper
angetan hatte.